Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 1. Berlin, 1793.

Bild:
<< vorherige Seite


worden, wodurch mein Zustand einigermaßen verbessert war. So weit meine Geschichte.

Da ich schon damals zum Spekuliren geneigt war, so suchte ich mir diese Erscheinung auf folgende Art zu erklären.

Alle menschliche Seelen sind gleichsam verschiedene Ausflüsse aus einerlei Quelle, sie mögen daher in ihrem gegenwärtigen Zustande von einander noch so sehr entfernt seyn, so kommunizieren sie doch in ihrem Ursprunge mit einander; diese Kommunikazion ist aber zwischen einigen Seelen mehr, zwischen andern weniger, nach dem Grade ihrer Aehnlichkeit untereinander. Die Wirkung dieser Kommunikazion wird aber hauptsächlich im Schlafe, da die Seelen zu ihrem Ursprunge zurückkehren (in der philosophischen Sprache würde es heissen: Da die innere Seelenwirkung durch die sinnlichen Eindrücke nicht mehr unterbrochen wird) und folglich unmittelbar einander anschauen. Daher konnte dieser Mann im Traume sehn, alles was mit mir zur Zeit vorging. Wenn ich jetzt diese Sache reiflich überlege, so muß ich gestehn, daß, alle schwärmerischen Vorstellungen abgerechnet, in der Sache weit mehr stecken muß, als wovon unsre bisherige Psychologie Rechenschaft geben kann. Wie dieses in diesem Magazine durch häufige Beispiele bestätigt wird.



worden, wodurch mein Zustand einigermaßen verbessert war. So weit meine Geschichte.

Da ich schon damals zum Spekuliren geneigt war, so suchte ich mir diese Erscheinung auf folgende Art zu erklaͤren.

Alle menschliche Seelen sind gleichsam verschiedene Ausfluͤsse aus einerlei Quelle, sie moͤgen daher in ihrem gegenwaͤrtigen Zustande von einander noch so sehr entfernt seyn, so kommunizieren sie doch in ihrem Ursprunge mit einander; diese Kommunikazion ist aber zwischen einigen Seelen mehr, zwischen andern weniger, nach dem Grade ihrer Aehnlichkeit untereinander. Die Wirkung dieser Kommunikazion wird aber hauptsaͤchlich im Schlafe, da die Seelen zu ihrem Ursprunge zuruͤckkehren (in der philosophischen Sprache wuͤrde es heissen: Da die innere Seelenwirkung durch die sinnlichen Eindruͤcke nicht mehr unterbrochen wird) und folglich unmittelbar einander anschauen. Daher konnte dieser Mann im Traume sehn, alles was mit mir zur Zeit vorging. Wenn ich jetzt diese Sache reiflich uͤberlege, so muß ich gestehn, daß, alle schwaͤrmerischen Vorstellungen abgerechnet, in der Sache weit mehr stecken muß, als wovon unsre bisherige Psychologie Rechenschaft geben kann. Wie dieses in diesem Magazine durch haͤufige Beispiele bestaͤtigt wird.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0012" n="10"/><lb/>
worden,                         wodurch mein Zustand einigermaßen verbessert war. So weit meine                         Geschichte.</p>
          <p>Da ich schon damals zum Spekuliren geneigt war, so suchte ich mir diese                         Erscheinung auf folgende Art zu erkla&#x0364;ren.</p>
          <p>Alle menschliche Seelen sind gleichsam verschiedene Ausflu&#x0364;sse aus einerlei                         Quelle, sie mo&#x0364;gen daher in ihrem gegenwa&#x0364;rtigen Zustande von einander noch so                         sehr entfernt seyn, so kommunizieren sie doch in ihrem Ursprunge mit                         einander; diese Kommunikazion ist aber zwischen einigen Seelen mehr,                         zwischen andern weniger, nach dem Grade ihrer Aehnlichkeit untereinander.                         Die Wirkung dieser Kommunikazion wird aber hauptsa&#x0364;chlich im Schlafe, da die                         Seelen zu ihrem Ursprunge zuru&#x0364;ckkehren (in der philosophischen Sprache wu&#x0364;rde                         es heissen: Da die innere Seelenwirkung durch die sinnlichen Eindru&#x0364;cke nicht                         mehr unterbrochen wird) und folglich unmittelbar einander anschauen. Daher                         konnte dieser Mann im Traume sehn, alles was mit mir zur Zeit vorging. Wenn                         ich jetzt diese Sache reiflich u&#x0364;berlege, so muß ich gestehn, daß, alle                         schwa&#x0364;rmerischen Vorstellungen abgerechnet, in der Sache weit mehr stecken                         muß, als wovon unsre bisherige Psychologie Rechenschaft geben kann. Wie                         dieses in diesem Magazine durch ha&#x0364;ufige Beispiele besta&#x0364;tigt wird.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[10/0012] worden, wodurch mein Zustand einigermaßen verbessert war. So weit meine Geschichte. Da ich schon damals zum Spekuliren geneigt war, so suchte ich mir diese Erscheinung auf folgende Art zu erklaͤren. Alle menschliche Seelen sind gleichsam verschiedene Ausfluͤsse aus einerlei Quelle, sie moͤgen daher in ihrem gegenwaͤrtigen Zustande von einander noch so sehr entfernt seyn, so kommunizieren sie doch in ihrem Ursprunge mit einander; diese Kommunikazion ist aber zwischen einigen Seelen mehr, zwischen andern weniger, nach dem Grade ihrer Aehnlichkeit untereinander. Die Wirkung dieser Kommunikazion wird aber hauptsaͤchlich im Schlafe, da die Seelen zu ihrem Ursprunge zuruͤckkehren (in der philosophischen Sprache wuͤrde es heissen: Da die innere Seelenwirkung durch die sinnlichen Eindruͤcke nicht mehr unterbrochen wird) und folglich unmittelbar einander anschauen. Daher konnte dieser Mann im Traume sehn, alles was mit mir zur Zeit vorging. Wenn ich jetzt diese Sache reiflich uͤberlege, so muß ich gestehn, daß, alle schwaͤrmerischen Vorstellungen abgerechnet, in der Sache weit mehr stecken muß, als wovon unsre bisherige Psychologie Rechenschaft geben kann. Wie dieses in diesem Magazine durch haͤufige Beispiele bestaͤtigt wird.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, University of Glasgow, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01001_1793
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01001_1793/12
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 1. Berlin, 1793, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01001_1793/12>, abgerufen am 21.11.2024.