Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 1. Berlin, 1793.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0119" n="117"/><lb/> Schilderung und Erdichtung der Begebenheiten gehoͤrt eigentlich zur Fantasie — kann ohne Selbstmacht, ja sogar ohne Selbstmacht der Urtheilskraft nicht bestehn. Wenn man nicht von einer besondern Art des Traumes spricht, darin die Einbildungskraft blos uͤberspringend ist, so kann man vom Traume nicht sagen, daß gar keine hoͤhere Seelenkraͤfte darin wallten, und mithin keine Selbstmacht der Urtheilskraft darin vorhanden sey. Es fehlt in einem Traume, darin die <hi rendition="#b">Fantasie</hi> herrscht, nur an einer solchen Selbstmacht der Seele, welche von ihr nicht ausgeuͤbt wird, wenn sie nicht der <hi rendition="#b">Vorsatz —</hi> in dem eigentlichen Sinne des Wortes — veranlaßt; und daß ich es hier vorlaͤufig bemerke, wenn ein Traum lange fortgesetzt wird, so daß keine Ruͤckfaͤlle aus demselben in den tiefen Schlaf geschehen, dann findet sich auch der Vorsatz ein, und dann sind sogar Erfindungen moͤglich. Das war also meine erste Erinnerung, und nun zur zweyten: Die Frage war: warum sind im Traume die hoͤhern Seelenkraͤfte unterdruͤckt? oder mit andren Worten: warum werden die Kraͤfte unterdruͤckt, welche eine Willkuͤhr der Seele erfordern, und dem Zusammenhange der Dinge nach Grund und Folge nachspuͤren? Jch finde in der angefuͤhrten Anmerkung keine andre Antwort als: »Weil es die Harmonie zwischen Seele und Koͤrper so mit sich bringt;« und das haͤtte ich gesagt? ich haͤtte mich statt einer Erklaͤrung auf diese Harmonie berufen? <persName ref="#ref0003"><note type="editorial">Maimon, Salomon</note>H. M.</persName> faͤhrt fort: »Trift es sich aber zufaͤlligerweise, daß diese<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [117/0119]
Schilderung und Erdichtung der Begebenheiten gehoͤrt eigentlich zur Fantasie — kann ohne Selbstmacht, ja sogar ohne Selbstmacht der Urtheilskraft nicht bestehn. Wenn man nicht von einer besondern Art des Traumes spricht, darin die Einbildungskraft blos uͤberspringend ist, so kann man vom Traume nicht sagen, daß gar keine hoͤhere Seelenkraͤfte darin wallten, und mithin keine Selbstmacht der Urtheilskraft darin vorhanden sey. Es fehlt in einem Traume, darin die Fantasie herrscht, nur an einer solchen Selbstmacht der Seele, welche von ihr nicht ausgeuͤbt wird, wenn sie nicht der Vorsatz — in dem eigentlichen Sinne des Wortes — veranlaßt; und daß ich es hier vorlaͤufig bemerke, wenn ein Traum lange fortgesetzt wird, so daß keine Ruͤckfaͤlle aus demselben in den tiefen Schlaf geschehen, dann findet sich auch der Vorsatz ein, und dann sind sogar Erfindungen moͤglich. Das war also meine erste Erinnerung, und nun zur zweyten: Die Frage war: warum sind im Traume die hoͤhern Seelenkraͤfte unterdruͤckt? oder mit andren Worten: warum werden die Kraͤfte unterdruͤckt, welche eine Willkuͤhr der Seele erfordern, und dem Zusammenhange der Dinge nach Grund und Folge nachspuͤren? Jch finde in der angefuͤhrten Anmerkung keine andre Antwort als: »Weil es die Harmonie zwischen Seele und Koͤrper so mit sich bringt;« und das haͤtte ich gesagt? ich haͤtte mich statt einer Erklaͤrung auf diese Harmonie berufen? H. M. faͤhrt fort: »Trift es sich aber zufaͤlligerweise, daß diese
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Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat
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