Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 1. Berlin, 1793.
Diese Erklärung setzt den Werth unsres Glaubens zu sehr herunter als daß man sie gelten lassen kann, wo man nicht unter Willen das Vermögen sich nach einem Prinzip der Vernunft zum Handeln zu bestimmen versteht; der Glaube wird alsdann die Voraussetzung solcher Objekte bedeuten, deren Erkenntniß bloß regulativ ist, und bloß, zum Behuf dieses Willens als konstitutiv angesehen wird. Diese Betrachtung ist aber zu fein als daß der gemeine Sprachgebrauch darauf Rücksicht nehmen könnte. Was mich anbetrift, so halte ich dafür, daß, es scheint mir, es däucht mir u. dergl. von der Ungewißheit unsrer Erkenntniß in Ansehung der Gegenstände selbst entstehen, ich glaube aber diese Ungewißheit in Ansehung ihrer Verhältnisse zu einander bedeutet; es ist hier die Frage nicht, ob die Menschen im Sprechen diesen Unterschied beständig beobachten, sondern meine Behauptung geht bloß dahin, daß sie ihn, den ursprünglichen Gefühlen zufolge beobachten sollten. Wenn jemand z.B. etwas Gelbes Goldähnliches sieht, sollte er nicht sagen: ich glaube daß es Gold sey, sondern es scheint mir Gold zu seyn, weil hier die Ungewiß-
Diese Erklaͤrung setzt den Werth unsres Glaubens zu sehr herunter als daß man sie gelten lassen kann, wo man nicht unter Willen das Vermoͤgen sich nach einem Prinzip der Vernunft zum Handeln zu bestimmen versteht; der Glaube wird alsdann die Voraussetzung solcher Objekte bedeuten, deren Erkenntniß bloß regulativ ist, und bloß, zum Behuf dieses Willens als konstitutiv angesehen wird. Diese Betrachtung ist aber zu fein als daß der gemeine Sprachgebrauch darauf Ruͤcksicht nehmen koͤnnte. Was mich anbetrift, so halte ich dafuͤr, daß, es scheint mir, es daͤucht mir u. dergl. von der Ungewißheit unsrer Erkenntniß in Ansehung der Gegenstaͤnde selbst entstehen, ich glaube aber diese Ungewißheit in Ansehung ihrer Verhaͤltnisse zu einander bedeutet; es ist hier die Frage nicht, ob die Menschen im Sprechen diesen Unterschied bestaͤndig beobachten, sondern meine Behauptung geht bloß dahin, daß sie ihn, den urspruͤnglichen Gefuͤhlen zufolge beobachten sollten. Wenn jemand z.B. etwas Gelbes Goldaͤhnliches sieht, sollte er nicht sagen: ich glaube daß es Gold sey, sondern es scheint mir Gold zu seyn, weil hier die Ungewiß- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><hi rendition="#b"><pb facs="#f0016" n="14"/><lb/> mir,</hi> es koͤmmt mir vor u.s.w., und dem Ausdruck: <hi rendition="#b">ich glaube,</hi> wo der Wille unsrer vorher schwankenden Meinung gleichsam noch den Ausschlag giebt.«</p> <p>Diese Erklaͤrung setzt den Werth unsres Glaubens zu sehr herunter als <choice><corr>daß</corr><sic>das</sic></choice> man sie gelten lassen kann, wo man nicht unter <hi rendition="#b">Willen</hi> das Vermoͤgen <hi rendition="#b">sich nach einem Prinzip der Vernunft zum Handeln zu bestimmen</hi> versteht; der Glaube wird alsdann die Voraussetzung solcher Objekte bedeuten, deren Erkenntniß bloß regulativ ist, und bloß, zum Behuf dieses Willens als konstitutiv angesehen wird. Diese Betrachtung ist aber zu fein als daß der gemeine Sprachgebrauch darauf Ruͤcksicht nehmen koͤnnte.</p> <p>Was mich anbetrift, so halte ich dafuͤr, daß, <hi rendition="#b">es scheint mir, es daͤucht mir</hi> u. dergl. von der Ungewißheit unsrer Erkenntniß in Ansehung <hi rendition="#b">der Gegenstaͤnde selbst</hi> entstehen, <hi rendition="#b">ich glaube</hi> aber diese Ungewißheit in Ansehung ihrer Verhaͤltnisse zu einander bedeutet; es ist hier die Frage nicht, ob die Menschen im Sprechen diesen Unterschied <hi rendition="#b">bestaͤndig beobachten,</hi> sondern meine Behauptung geht bloß dahin, daß sie ihn, den urspruͤnglichen Gefuͤhlen zufolge <hi rendition="#b">beobachten sollten.</hi> Wenn jemand z.B. etwas Gelbes Goldaͤhnliches sieht, sollte er nicht sagen: <hi rendition="#b">ich glaube</hi> daß es Gold sey, sondern <hi rendition="#b">es scheint mir</hi> Gold zu seyn, weil hier die Ungewiß-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [14/0016]
mir, es koͤmmt mir vor u.s.w., und dem Ausdruck: ich glaube, wo der Wille unsrer vorher schwankenden Meinung gleichsam noch den Ausschlag giebt.«
Diese Erklaͤrung setzt den Werth unsres Glaubens zu sehr herunter als daß man sie gelten lassen kann, wo man nicht unter Willen das Vermoͤgen sich nach einem Prinzip der Vernunft zum Handeln zu bestimmen versteht; der Glaube wird alsdann die Voraussetzung solcher Objekte bedeuten, deren Erkenntniß bloß regulativ ist, und bloß, zum Behuf dieses Willens als konstitutiv angesehen wird. Diese Betrachtung ist aber zu fein als daß der gemeine Sprachgebrauch darauf Ruͤcksicht nehmen koͤnnte.
Was mich anbetrift, so halte ich dafuͤr, daß, es scheint mir, es daͤucht mir u. dergl. von der Ungewißheit unsrer Erkenntniß in Ansehung der Gegenstaͤnde selbst entstehen, ich glaube aber diese Ungewißheit in Ansehung ihrer Verhaͤltnisse zu einander bedeutet; es ist hier die Frage nicht, ob die Menschen im Sprechen diesen Unterschied bestaͤndig beobachten, sondern meine Behauptung geht bloß dahin, daß sie ihn, den urspruͤnglichen Gefuͤhlen zufolge beobachten sollten. Wenn jemand z.B. etwas Gelbes Goldaͤhnliches sieht, sollte er nicht sagen: ich glaube daß es Gold sey, sondern es scheint mir Gold zu seyn, weil hier die Ungewiß-
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