Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 1. Berlin, 1793.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0063" n="61"/><lb/> Muth zu schwaͤchen, Arzenei gebraucht worden? Es sind voruͤbergleitende Minuten, worinnen das Herz unsern Muth in Feigheit wandelt, und uns selbst beschaͤmt. (Ein zaͤrtlich Gefuͤhl ist der Philosophie das, was das Mutterherz der guten Kinderzucht ist.) Jch kam an eine Saͤgemuͤhle, woraus der Bewohner durch donnernde und anzuͤgliche Worte meiner Andringlichkeit auszuweichen meinte. Er irrte sich, denn meine Absicht war, von nun an in Waͤldern zu uͤbernachten, um meinen Koͤrper toͤdtlicher zu machen, und <choice><corr>keinem</corr><sic>keinen</sic></choice> Menschen Sorge zu verursachen, und nicht viel gute Worte zu verschwenden. — Suͤße Schwermuth in mir, und Dunkel um mich, ging ich unwissend, anstatt vor ruͤckwaͤrts und waͤhlte in einem Birkenthal mein Nachtlager, unter einer Eiche. Kaum hatte ich mich gelegt, so schienen (wenigstens mir) ein paar Eulen zu wetteifern, mein Elend recht jaͤmmerlich zu beweinen. Jch fand darinn eine gewisse Beruhigung. — Das Ungewoͤhnliche Zerstreuete aus den klagenden Stimmen — Ach und Weh! fuͤrchterlich bange Ahndung — Verzweifelung, konnte nirgends besser angetroffen, und ausgedruͤckt folglich auch gefuͤhlt, und lebhafter empfunden werden, als von mir in diesem Thale; wo alles zusammentraf — waͤhnte ich fremdes Mitleid. Hiebei erkannte ich, daß auch im Wahn, oder in schiefem Gefuͤhl einiges Gluͤck liege. Jn neblichter Phantasie und ungleichmaͤßiger Vorstellung suchen<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [61/0063]
Muth zu schwaͤchen, Arzenei gebraucht worden? Es sind voruͤbergleitende Minuten, worinnen das Herz unsern Muth in Feigheit wandelt, und uns selbst beschaͤmt. (Ein zaͤrtlich Gefuͤhl ist der Philosophie das, was das Mutterherz der guten Kinderzucht ist.) Jch kam an eine Saͤgemuͤhle, woraus der Bewohner durch donnernde und anzuͤgliche Worte meiner Andringlichkeit auszuweichen meinte. Er irrte sich, denn meine Absicht war, von nun an in Waͤldern zu uͤbernachten, um meinen Koͤrper toͤdtlicher zu machen, und keinem Menschen Sorge zu verursachen, und nicht viel gute Worte zu verschwenden. — Suͤße Schwermuth in mir, und Dunkel um mich, ging ich unwissend, anstatt vor ruͤckwaͤrts und waͤhlte in einem Birkenthal mein Nachtlager, unter einer Eiche. Kaum hatte ich mich gelegt, so schienen (wenigstens mir) ein paar Eulen zu wetteifern, mein Elend recht jaͤmmerlich zu beweinen. Jch fand darinn eine gewisse Beruhigung. — Das Ungewoͤhnliche Zerstreuete aus den klagenden Stimmen — Ach und Weh! fuͤrchterlich bange Ahndung — Verzweifelung, konnte nirgends besser angetroffen, und ausgedruͤckt folglich auch gefuͤhlt, und lebhafter empfunden werden, als von mir in diesem Thale; wo alles zusammentraf — waͤhnte ich fremdes Mitleid. Hiebei erkannte ich, daß auch im Wahn, oder in schiefem Gefuͤhl einiges Gluͤck liege. Jn neblichter Phantasie und ungleichmaͤßiger Vorstellung suchen
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