Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 1. Berlin, 1793.
Heulet Klagen! Todessänger! Prophezeyt mir Tod und Grab. Heulet schaudernd daß es bänger Schallt ins stille Thal herab. Heulets: daß nun Tod nicht fern Heulet nur, ich hör euch gern.
Heulet Klagen! Todessaͤnger! Prophezeyt mir Tod und Grab. Heulet schaudernd daß es baͤnger Schallt ins stille Thal herab. Heulets: daß nun Tod nicht fern Heulet nur, ich hoͤr euch gern. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0064" n="62"/><lb/> und finden zwar unzaͤhlige wohlthaͤtig großes Gluͤck — und schlummern in behaglicher Selbstgenuͤgsamkeit. Allein mich oft getaͤuscht wissen und gluͤcklich fuͤhlen, moͤcht ich nicht feine Seele nennen, sondern verdorbenes Gefuͤhl, das sich an jedes rauschende Blatt anhakt, zu viel Reiz hat, oft laͤstig ist, und mißmuͤthig macht; andern leicht unertraͤglich und laͤcherlich wird, und uns gefaͤhrlich werden kann. Z.B. zu zaͤrtliche Romane, Schooshuͤndchen, Puͤpchen, und dergl. feine Saͤchelchen, die nach einer hoͤhern Sphaͤre riechen, welche einem Traumgespinst vom uͤbermaͤßigen Genuß des Weins erzeugt, gleicht, das mit seinem Entstehen zerflattert. Jch war auch angesteckt mit Schaden fuͤr diese, zum Gluͤck fuͤr eine bessere Welt aber gluͤcklich geheilet. Bald haͤtte ich den holen Todtensang vergessen. Sie schwiegen — vermuthlich aus hungriger Beduͤrfniß, und mit diesem Gedanken zerrann mein suͤßer Wahn. Um aber der ungewohnten Herbstkuͤhle, ein schwach linderndes Mittel entgegen zu setzen, ließ ich meine Phantasie spielen, und reimte folgende Worte zu jenem wuͤrklich einschneidenden melancholischen Gesange.</p> <lg> <l>Heulet Klagen! Todessaͤnger!</l> <l>Prophezeyt mir Tod und Grab.</l> <l>Heulet schaudernd daß es baͤnger</l> <l>Schallt ins stille Thal herab.</l> <l>Heulets: daß nun Tod nicht fern</l> <l>Heulet nur, ich hoͤr euch gern.</l><lb/> </lg> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [62/0064]
und finden zwar unzaͤhlige wohlthaͤtig großes Gluͤck — und schlummern in behaglicher Selbstgenuͤgsamkeit. Allein mich oft getaͤuscht wissen und gluͤcklich fuͤhlen, moͤcht ich nicht feine Seele nennen, sondern verdorbenes Gefuͤhl, das sich an jedes rauschende Blatt anhakt, zu viel Reiz hat, oft laͤstig ist, und mißmuͤthig macht; andern leicht unertraͤglich und laͤcherlich wird, und uns gefaͤhrlich werden kann. Z.B. zu zaͤrtliche Romane, Schooshuͤndchen, Puͤpchen, und dergl. feine Saͤchelchen, die nach einer hoͤhern Sphaͤre riechen, welche einem Traumgespinst vom uͤbermaͤßigen Genuß des Weins erzeugt, gleicht, das mit seinem Entstehen zerflattert. Jch war auch angesteckt mit Schaden fuͤr diese, zum Gluͤck fuͤr eine bessere Welt aber gluͤcklich geheilet. Bald haͤtte ich den holen Todtensang vergessen. Sie schwiegen — vermuthlich aus hungriger Beduͤrfniß, und mit diesem Gedanken zerrann mein suͤßer Wahn. Um aber der ungewohnten Herbstkuͤhle, ein schwach linderndes Mittel entgegen zu setzen, ließ ich meine Phantasie spielen, und reimte folgende Worte zu jenem wuͤrklich einschneidenden melancholischen Gesange.
Heulet Klagen! Todessaͤnger! Prophezeyt mir Tod und Grab. Heulet schaudernd daß es baͤnger Schallt ins stille Thal herab. Heulets: daß nun Tod nicht fern Heulet nur, ich hoͤr euch gern.
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