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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 1. Berlin, 1793.

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nicht. Auch diese Thräne, die da heimlich über meine Wange rinnt, und gern mit zu dir sich stehlen will -- und -- leb wohl! -- Julie! werd' ich nie mehr etwas von dir hören? -- Leb wohl, theure, theure Julie!

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Rückkehr zur Tugend! -- Besserung! -- leere Worte, die einmal einer ersann, der dem äußern Elende des Lasters entronnen war, um zu seinem neuen behaglichen Zustande auch noch eine gewisse erkünstelte Ruhe des Geistes hinzuzufügen! Rückkehr zur Tugend! -- Unsinn! Als wäre sie außer uns, als beständ nicht eben das Wesen des Lasters in der Unfähigkeit glücklich und gut zu seyn. Lähmt dem Adler seine Schwingen, und nehmt dem Menschen seine Tugend, beide erheben sich nie wieder! Sie sind gefallene Engel der ewigen Pein, Gottes Glanz zu wissen und zu meiden, hingegeben.

Unbegreifliches Loos, das der Menschheit fiel! -- Leicht und sorglos, den Busen voll Wonne des jungen Lebens, hüpft der Knabe seinen ersten einzigen Unschuldsweg daher; hier theilt er sich, er muß wählen; -- dort winken ihm die Götter der Freude jung, und lächeln wie er -- seine Brüder. Er fliegt ihnen zu und -- verschwunden ist der Zauber, und kalter Nebel umgiebt ihn dicht. -- Ver-


nicht. Auch diese Thraͤne, die da heimlich uͤber meine Wange rinnt, und gern mit zu dir sich stehlen will — und — leb wohl! — Julie! werd' ich nie mehr etwas von dir hoͤren? — Leb wohl, theure, theure Julie!

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Ruͤckkehr zur Tugend! — Besserung! — leere Worte, die einmal einer ersann, der dem aͤußern Elende des Lasters entronnen war, um zu seinem neuen behaglichen Zustande auch noch eine gewisse erkuͤnstelte Ruhe des Geistes hinzuzufuͤgen! Ruͤckkehr zur Tugend! — Unsinn! Als waͤre sie außer uns, als bestaͤnd nicht eben das Wesen des Lasters in der Unfaͤhigkeit gluͤcklich und gut zu seyn. Laͤhmt dem Adler seine Schwingen, und nehmt dem Menschen seine Tugend, beide erheben sich nie wieder! Sie sind gefallene Engel der ewigen Pein, Gottes Glanz zu wissen und zu meiden, hingegeben.

Unbegreifliches Loos, das der Menschheit fiel! — Leicht und sorglos, den Busen voll Wonne des jungen Lebens, huͤpft der Knabe seinen ersten einzigen Unschuldsweg daher; hier theilt er sich, er muß waͤhlen; — dort winken ihm die Goͤtter der Freude jung, und laͤcheln wie er — seine Bruͤder. Er fliegt ihnen zu und — verschwunden ist der Zauber, und kalter Nebel umgiebt ihn dicht. — Ver-

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[71/0073] nicht. Auch diese Thraͤne, die da heimlich uͤber meine Wange rinnt, und gern mit zu dir sich stehlen will — und — leb wohl! — Julie! werd' ich nie mehr etwas von dir hoͤren? — Leb wohl, theure, theure Julie! — — — l. am 19ten Maͤrz. Ruͤckkehr zur Tugend! — Besserung! — leere Worte, die einmal einer ersann, der dem aͤußern Elende des Lasters entronnen war, um zu seinem neuen behaglichen Zustande auch noch eine gewisse erkuͤnstelte Ruhe des Geistes hinzuzufuͤgen! Ruͤckkehr zur Tugend! — Unsinn! Als waͤre sie außer uns, als bestaͤnd nicht eben das Wesen des Lasters in der Unfaͤhigkeit gluͤcklich und gut zu seyn. Laͤhmt dem Adler seine Schwingen, und nehmt dem Menschen seine Tugend, beide erheben sich nie wieder! Sie sind gefallene Engel der ewigen Pein, Gottes Glanz zu wissen und zu meiden, hingegeben. Unbegreifliches Loos, das der Menschheit fiel! — Leicht und sorglos, den Busen voll Wonne des jungen Lebens, huͤpft der Knabe seinen ersten einzigen Unschuldsweg daher; hier theilt er sich, er muß waͤhlen; — dort winken ihm die Goͤtter der Freude jung, und laͤcheln wie er — seine Bruͤder. Er fliegt ihnen zu und — verschwunden ist der Zauber, und kalter Nebel umgiebt ihn dicht. — Ver-

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 1. Berlin, 1793, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01001_1793/73>, abgerufen am 24.11.2024.