Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 2. Berlin, 1793.

Bild:
<< vorherige Seite


Empfindung zu führt. Mahler und Dichter lernten der Natur dies Kunststück ab, und gaben ihren Werken dadurch Anmuth und Zauber.

Also das Aehnliche ist eine Vollkommenheit die in der Mitte steht. Auf jener Seite liegt das Unähnliche, die Heterogene Zusammensetzung, das Horazianische Ungeheuer mit dem Menschenkopf an einem Pferdehalse u.s.w. und auf dieser, das sich Gleiche und das Einzelne. Oder wenn man so will: Einheit in Mannigfaltigkeit ist das Mittel, und seine Abweichung ist, auf der einen Seite nackte Einheit, und auf der andern Seite, Mannigfaltigkeit, ohne Einheit. Denn es ist hier einerlei, ob ich sage: das Aehnliche oder das Mannigfaltige in Einem, weil dies blos durch den Bezug der Aehnlichkeit, sie liege nun worinnen sie will, die alle Theile auf das Eine, und folglich auch unter einander bekommen, hervorgebracht wird.

Beide Abweichungen gebiert die Natur nimmer, beide vermögen keine Freude, keine angenehme Empfindung zu gewähren. Horaz sagt, nachdem er sein Unding aufgestellt hat: "Spectatum admissi risum teneatis amici?" -- und er hat vielleicht in allen Fällen der Heterogenen Zusammensetzung Recht: ihr Anblick erregt Spott, eine Empfindung die endlich eine unangenehme Leere hinterläßt; aber das sich Gleiche, das Einzelne, das ist ein gräßliches Gespenst, wovon unser Ge-


Empfindung zu fuͤhrt. Mahler und Dichter lernten der Natur dies Kunststuͤck ab, und gaben ihren Werken dadurch Anmuth und Zauber.

Also das Aehnliche ist eine Vollkommenheit die in der Mitte steht. Auf jener Seite liegt das Unaͤhnliche, die Heterogene Zusammensetzung, das Horazianische Ungeheuer mit dem Menschenkopf an einem Pferdehalse u.s.w. und auf dieser, das sich Gleiche und das Einzelne. Oder wenn man so will: Einheit in Mannigfaltigkeit ist das Mittel, und seine Abweichung ist, auf der einen Seite nackte Einheit, und auf der andern Seite, Mannigfaltigkeit, ohne Einheit. Denn es ist hier einerlei, ob ich sage: das Aehnliche oder das Mannigfaltige in Einem, weil dies blos durch den Bezug der Aehnlichkeit, sie liege nun worinnen sie will, die alle Theile auf das Eine, und folglich auch unter einander bekommen, hervorgebracht wird.

Beide Abweichungen gebiert die Natur nimmer, beide vermoͤgen keine Freude, keine angenehme Empfindung zu gewaͤhren. Horaz sagt, nachdem er sein Unding aufgestellt hat: »Spectatum admissi risum teneatis amici?« — und er hat vielleicht in allen Faͤllen der Heterogenen Zusammensetzung Recht: ihr Anblick erregt Spott, eine Empfindung die endlich eine unangenehme Leere hinterlaͤßt; aber das sich Gleiche, das Einzelne, das ist ein graͤßliches Gespenst, wovon unser Ge-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0117" n="117"/><lb/>
Empfindung zu fu&#x0364;hrt. Mahler und Dichter lernten der                         Natur dies Kunststu&#x0364;ck ab, und gaben ihren Werken dadurch Anmuth und                         Zauber.</p>
              <p>Also das Aehnliche ist eine Vollkommenheit die in der Mitte steht. Auf jener                         Seite liegt das Una&#x0364;hnliche, die Heterogene Zusammensetzung, das                         Horazianische Ungeheuer mit dem Menschenkopf an einem Pferdehalse u.s.w. und                         auf dieser, das sich Gleiche und das Einzelne. Oder wenn man so will:                         Einheit in Mannigfaltigkeit ist das Mittel, und seine Abweichung ist, auf                         der einen Seite nackte Einheit, und auf der andern Seite, Mannigfaltigkeit,                         ohne Einheit. Denn es ist hier einerlei, ob ich sage: das Aehnliche oder das                         Mannigfaltige in Einem, weil dies blos durch den Bezug der Aehnlichkeit, sie                         liege nun worinnen sie will, die alle Theile auf das Eine, und folglich auch                         unter einander bekommen, hervorgebracht wird.</p>
              <p>Beide Abweichungen gebiert die Natur nimmer, beide vermo&#x0364;gen keine Freude,                         keine angenehme Empfindung zu gewa&#x0364;hren. Horaz sagt, nachdem er sein Unding                         aufgestellt hat: <hi rendition="#aq">»Spectatum admissi <choice><corr>risum</corr><sic>nisum</sic></choice>                             <choice><corr>teneatis</corr><sic>tenertis</sic></choice>                             amici?«</hi> &#x2014; und er hat vielleicht in allen Fa&#x0364;llen der Heterogenen                         Zusammensetzung Recht: ihr Anblick erregt Spott, eine Empfindung die endlich                         eine unangenehme Leere hinterla&#x0364;ßt; aber das sich Gleiche, das Einzelne, das                         ist ein gra&#x0364;ßliches Gespenst, wovon unser Ge-<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[117/0117] Empfindung zu fuͤhrt. Mahler und Dichter lernten der Natur dies Kunststuͤck ab, und gaben ihren Werken dadurch Anmuth und Zauber. Also das Aehnliche ist eine Vollkommenheit die in der Mitte steht. Auf jener Seite liegt das Unaͤhnliche, die Heterogene Zusammensetzung, das Horazianische Ungeheuer mit dem Menschenkopf an einem Pferdehalse u.s.w. und auf dieser, das sich Gleiche und das Einzelne. Oder wenn man so will: Einheit in Mannigfaltigkeit ist das Mittel, und seine Abweichung ist, auf der einen Seite nackte Einheit, und auf der andern Seite, Mannigfaltigkeit, ohne Einheit. Denn es ist hier einerlei, ob ich sage: das Aehnliche oder das Mannigfaltige in Einem, weil dies blos durch den Bezug der Aehnlichkeit, sie liege nun worinnen sie will, die alle Theile auf das Eine, und folglich auch unter einander bekommen, hervorgebracht wird. Beide Abweichungen gebiert die Natur nimmer, beide vermoͤgen keine Freude, keine angenehme Empfindung zu gewaͤhren. Horaz sagt, nachdem er sein Unding aufgestellt hat: »Spectatum admissi risum teneatis amici?« — und er hat vielleicht in allen Faͤllen der Heterogenen Zusammensetzung Recht: ihr Anblick erregt Spott, eine Empfindung die endlich eine unangenehme Leere hinterlaͤßt; aber das sich Gleiche, das Einzelne, das ist ein graͤßliches Gespenst, wovon unser Ge-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, University of Glasgow, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01002_1793
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01002_1793/117
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 2. Berlin, 1793, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01002_1793/117>, abgerufen am 11.05.2024.