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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 2. Berlin, 1793.

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sche Einheit
dieser Wissenschaft erhalten werden sollte.

So wird z.B. ein Zirkel der gemeinen Geometrie als eine Linie erklärt, die in allen ihren Theilen von einem gewissen Punkt (dem Mittelpunkt) gleich weit ist. Die aus diesem Begriff zuziehenden Folgen gelten blos für den Zirkel, nicht aber für eine andere krumme Linie. Jn der höheren Geometrie aber wird der Zirkel als eine krumme Linie der zweiten Ordnung durch eine allgemeine Gleichung bestimmt. Die aus dieser Gleichung zuziehenden Folgen gelten daher nicht blos für den Zirkel, sondern für alle Linien dieser Ordnung; u.d.g. mehr.

Oder diese Eintheilung hat in der Verschiedenheit der Gegenstände selbst (die aber doch in einem Gattungsbegriff übereinstimmen, wodurch sie zu einer einzigen Wissenschaft gehören) ihren Grund so wie z.B. die Rechnung des Endlichen und des Unendlichen in der Mathematik.

Jn diesen beiden Rücksichten denke ich, kann auch die Erfahrungsseelenkunde in der gemeinen und höheren Erfahrungsseelenkunde eingetheilt werden. Der Gegenstand jener sind die aus der Erfahrung bekannten so genannten niedern Seelenkräfte (Sinne u.s.w.). Der Gegenstand dieses aber, die höheren Seelenkräfte (Verstand, Vernunft), ihre Krankheiten und Wiederherstellungsmethoden. Zwar bin ich überzeugt,


sche Einheit
dieser Wissenschaft erhalten werden sollte.

So wird z.B. ein Zirkel der gemeinen Geometrie als eine Linie erklaͤrt, die in allen ihren Theilen von einem gewissen Punkt (dem Mittelpunkt) gleich weit ist. Die aus diesem Begriff zuziehenden Folgen gelten blos fuͤr den Zirkel, nicht aber fuͤr eine andere krumme Linie. Jn der hoͤheren Geometrie aber wird der Zirkel als eine krumme Linie der zweiten Ordnung durch eine allgemeine Gleichung bestimmt. Die aus dieser Gleichung zuziehenden Folgen gelten daher nicht blos fuͤr den Zirkel, sondern fuͤr alle Linien dieser Ordnung; u.d.g. mehr.

Oder diese Eintheilung hat in der Verschiedenheit der Gegenstaͤnde selbst (die aber doch in einem Gattungsbegriff uͤbereinstimmen, wodurch sie zu einer einzigen Wissenschaft gehoͤren) ihren Grund so wie z.B. die Rechnung des Endlichen und des Unendlichen in der Mathematik.

Jn diesen beiden Ruͤcksichten denke ich, kann auch die Erfahrungsseelenkunde in der gemeinen und hoͤheren Erfahrungsseelenkunde eingetheilt werden. Der Gegenstand jener sind die aus der Erfahrung bekannten so genannten niedern Seelenkraͤfte (Sinne u.s.w.). Der Gegenstand dieses aber, die hoͤheren Seelenkraͤfte (Verstand, Vernunft), ihre Krankheiten und Wiederherstellungsmethoden. Zwar bin ich uͤberzeugt,

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[44/0044] sche Einheit dieser Wissenschaft erhalten werden sollte. So wird z.B. ein Zirkel der gemeinen Geometrie als eine Linie erklaͤrt, die in allen ihren Theilen von einem gewissen Punkt (dem Mittelpunkt) gleich weit ist. Die aus diesem Begriff zuziehenden Folgen gelten blos fuͤr den Zirkel, nicht aber fuͤr eine andere krumme Linie. Jn der hoͤheren Geometrie aber wird der Zirkel als eine krumme Linie der zweiten Ordnung durch eine allgemeine Gleichung bestimmt. Die aus dieser Gleichung zuziehenden Folgen gelten daher nicht blos fuͤr den Zirkel, sondern fuͤr alle Linien dieser Ordnung; u.d.g. mehr. Oder diese Eintheilung hat in der Verschiedenheit der Gegenstaͤnde selbst (die aber doch in einem Gattungsbegriff uͤbereinstimmen, wodurch sie zu einer einzigen Wissenschaft gehoͤren) ihren Grund so wie z.B. die Rechnung des Endlichen und des Unendlichen in der Mathematik. Jn diesen beiden Ruͤcksichten denke ich, kann auch die Erfahrungsseelenkunde in der gemeinen und hoͤheren Erfahrungsseelenkunde eingetheilt werden. Der Gegenstand jener sind die aus der Erfahrung bekannten so genannten niedern Seelenkraͤfte (Sinne u.s.w.). Der Gegenstand dieses aber, die hoͤheren Seelenkraͤfte (Verstand, Vernunft), ihre Krankheiten und Wiederherstellungsmethoden. Zwar bin ich uͤberzeugt,

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 2. Berlin, 1793, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01002_1793/44>, abgerufen am 28.04.2024.