Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 2. Berlin, 1793.
"So unläugbar dieser Satz, und so groß die Aussicht auf Erkenntniß von Ursachen und Prinzipien ist, welche wir durch ihn erhalten: so gewiß ist es dennoch, daß wir kaum die nächste Ursache und das nächste Prinzip der Würkungen, welche wir wahrnehmen, zu ergründen fähig sind, und in
»So unlaͤugbar dieser Satz, und so groß die Aussicht auf Erkenntniß von Ursachen und Prinzipien ist, welche wir durch ihn erhalten: so gewiß ist es dennoch, daß wir kaum die naͤchste Ursache und das naͤchste Prinzip der Wuͤrkungen, welche wir wahrnehmen, zu ergruͤnden faͤhig sind, und in <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0050" n="50"/><lb/> sie von der einen Seite Realitaͤt (Beziehung auf ein reelles Objekt) von der andern Seite aber durchgaͤngige Bestimmtheit (in Ansehung der daraus zuziehenden Folgen) erhalten. Die Philosophie hingegen legt Begriffe des gemeinen Menschenverstands zum Grund; nachher erst untersucht sie, ob diese Begriffe Realitaͤt (Beziehung auf ein reelles Objekt) haben, oder nicht? Weil der gemeine Menschenverstand nicht selten das blos <hi rendition="#b">Subjektive</hi> mit dem <hi rendition="#b">Objektiven,</hi> das <hi rendition="#b">Relative</hi> mit dem <hi rendition="#b">Absoluten,</hi> seine eigene Wuͤrkungsart im Denken eines Objekts mit den Merkmalen dieses Objekts selbst zu verwechseln pflegt. Wird die Realitaͤt dieser Begriffe dargethan, muß sie wiederum untersuchen, ob sie auch in Ansehung der daraus <choice><corr>herzuleitenden</corr><sic> herzuweitenden</sic></choice> Folgen, durchgaͤngig bestimmt sind, so daß sie nicht mehr oder weniger Merkmale enthalten, als zur Herleitung dieser Folgen erforderlich ist, welches von dem gemeinen Menschenverstand nicht zu erwarten seyn moͤchte. Findet sie diese durchgaͤngige Bestimmtheit nicht, so muß sie selbst dieselbe vornehmen. Das Definiren ist also das letzte Geschaͤft der Philosophie.</p> <p>»So unlaͤugbar dieser Satz, und so groß die Aussicht auf Erkenntniß von Ursachen und Prinzipien ist, welche wir durch ihn erhalten: so gewiß ist es dennoch, daß wir kaum die naͤchste Ursache und das naͤchste Prinzip der Wuͤrkungen, welche wir wahrnehmen, zu ergruͤnden faͤhig sind, und in<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [50/0050]
sie von der einen Seite Realitaͤt (Beziehung auf ein reelles Objekt) von der andern Seite aber durchgaͤngige Bestimmtheit (in Ansehung der daraus zuziehenden Folgen) erhalten. Die Philosophie hingegen legt Begriffe des gemeinen Menschenverstands zum Grund; nachher erst untersucht sie, ob diese Begriffe Realitaͤt (Beziehung auf ein reelles Objekt) haben, oder nicht? Weil der gemeine Menschenverstand nicht selten das blos Subjektive mit dem Objektiven, das Relative mit dem Absoluten, seine eigene Wuͤrkungsart im Denken eines Objekts mit den Merkmalen dieses Objekts selbst zu verwechseln pflegt. Wird die Realitaͤt dieser Begriffe dargethan, muß sie wiederum untersuchen, ob sie auch in Ansehung der daraus herzuleitenden Folgen, durchgaͤngig bestimmt sind, so daß sie nicht mehr oder weniger Merkmale enthalten, als zur Herleitung dieser Folgen erforderlich ist, welches von dem gemeinen Menschenverstand nicht zu erwarten seyn moͤchte. Findet sie diese durchgaͤngige Bestimmtheit nicht, so muß sie selbst dieselbe vornehmen. Das Definiren ist also das letzte Geschaͤft der Philosophie.
»So unlaͤugbar dieser Satz, und so groß die Aussicht auf Erkenntniß von Ursachen und Prinzipien ist, welche wir durch ihn erhalten: so gewiß ist es dennoch, daß wir kaum die naͤchste Ursache und das naͤchste Prinzip der Wuͤrkungen, welche wir wahrnehmen, zu ergruͤnden faͤhig sind, und in
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