Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 2. Berlin, 1793.
Die Vorstellung von einer Weltseele als ein intelligibiles Wesen das die höchste würkende Formelle und Endursache aller Objekte der Natur ist, kann in verschiedener Rücksicht als wahr und als falsch erklärt werden. Die Objekte der Natur haben ausser der ihnen gemeinschaftlichen absoluten Materie (materia prima) noch besondere Formen die besondern Zwecken gemäß sind, und sich einander wechselseitig bestimmen. Die Form muß schon vor ihrer Verknüpfung mit der Materie an sich möglich seyn (nach dem bekannten ontologischen Satze: was an sich unmöglich ist, ist auch in Verbindung unmöglich) d.h. ihre Merkmale müssen sich einander nicht widersprechen. Sie setzt also ein denkendes Wesen, das den Grund oder die Vorstellung dieser Möglichkeit enthält, als Ursache, voraus. Sie muß auch in Verbindung mit der Materie möglich seyn, sonst ist ihre Möglichkeit an sich blos logisch aber nicht reel, d.h. in einem Objekt darstellbar. Sie setzt also nicht blos ein denkendes sondern auch ein erkennendes Wesen als Ursache vor-
Die Vorstellung von einer Weltseele als ein intelligibiles Wesen das die hoͤchste wuͤrkende Formelle und Endursache aller Objekte der Natur ist, kann in verschiedener Ruͤcksicht als wahr und als falsch erklaͤrt werden. Die Objekte der Natur haben ausser der ihnen gemeinschaftlichen absoluten Materie (materia prima) noch besondere Formen die besondern Zwecken gemaͤß sind, und sich einander wechselseitig bestimmen. Die Form muß schon vor ihrer Verknuͤpfung mit der Materie an sich moͤglich seyn (nach dem bekannten ontologischen Satze: was an sich unmoͤglich ist, ist auch in Verbindung unmoͤglich) d.h. ihre Merkmale muͤssen sich einander nicht widersprechen. Sie setzt also ein denkendes Wesen, das den Grund oder die Vorstellung dieser Moͤglichkeit enthaͤlt, als Ursache, voraus. Sie muß auch in Verbindung mit der Materie moͤglich seyn, sonst ist ihre Moͤglichkeit an sich blos logisch aber nicht reel, d.h. in einem Objekt darstellbar. Sie setzt also nicht blos ein denkendes sondern auch ein erkennendes Wesen als Ursache vor- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0058" n="58"/><lb/> Zweige die Knospen. Das zarte Gewebe der Blaͤtter, der Blumen, der Fruͤchte, alles wird innerlich angelegt, zubereitet und vollendet. Und von innen ruft er auch wieder zuruͤck seine Saͤfte aus den Fruͤchten und Blaͤttern zu den Zweigen; aus den Zweigen zu den Aesten; aus den Aesten zu dem Stamm; aus dem Stamme zur Wurzel. — Wie hier in der Pflanze, so im Thiere, so in Allem.«</p> <p>Die Vorstellung von einer Weltseele als ein intelligibiles Wesen das die hoͤchste wuͤrkende Formelle und Endursache aller Objekte der Natur ist, kann in verschiedener Ruͤcksicht als wahr und als falsch erklaͤrt werden. Die Objekte der Natur haben ausser der ihnen gemeinschaftlichen absoluten Materie <hi rendition="#aq">(materia prima)</hi> noch besondere Formen die besondern Zwecken gemaͤß sind, und sich einander wechselseitig bestimmen. Die Form muß schon vor ihrer Verknuͤpfung mit der Materie an sich moͤglich seyn (nach dem bekannten ontologischen Satze: was an sich unmoͤglich ist, ist auch in Verbindung unmoͤglich) d.h. ihre Merkmale muͤssen sich einander nicht widersprechen. Sie setzt also ein denkendes Wesen, das den Grund oder die Vorstellung dieser Moͤglichkeit enthaͤlt, als Ursache, voraus. Sie muß auch in Verbindung mit der Materie moͤglich seyn, sonst ist ihre Moͤglichkeit an sich blos logisch aber nicht reel, d.h. in einem Objekt darstellbar. Sie setzt also nicht blos ein denkendes sondern auch ein erkennendes Wesen als Ursache vor-<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [58/0058]
Zweige die Knospen. Das zarte Gewebe der Blaͤtter, der Blumen, der Fruͤchte, alles wird innerlich angelegt, zubereitet und vollendet. Und von innen ruft er auch wieder zuruͤck seine Saͤfte aus den Fruͤchten und Blaͤttern zu den Zweigen; aus den Zweigen zu den Aesten; aus den Aesten zu dem Stamm; aus dem Stamme zur Wurzel. — Wie hier in der Pflanze, so im Thiere, so in Allem.«
Die Vorstellung von einer Weltseele als ein intelligibiles Wesen das die hoͤchste wuͤrkende Formelle und Endursache aller Objekte der Natur ist, kann in verschiedener Ruͤcksicht als wahr und als falsch erklaͤrt werden. Die Objekte der Natur haben ausser der ihnen gemeinschaftlichen absoluten Materie (materia prima) noch besondere Formen die besondern Zwecken gemaͤß sind, und sich einander wechselseitig bestimmen. Die Form muß schon vor ihrer Verknuͤpfung mit der Materie an sich moͤglich seyn (nach dem bekannten ontologischen Satze: was an sich unmoͤglich ist, ist auch in Verbindung unmoͤglich) d.h. ihre Merkmale muͤssen sich einander nicht widersprechen. Sie setzt also ein denkendes Wesen, das den Grund oder die Vorstellung dieser Moͤglichkeit enthaͤlt, als Ursache, voraus. Sie muß auch in Verbindung mit der Materie moͤglich seyn, sonst ist ihre Moͤglichkeit an sich blos logisch aber nicht reel, d.h. in einem Objekt darstellbar. Sie setzt also nicht blos ein denkendes sondern auch ein erkennendes Wesen als Ursache vor-
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