Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 2. Berlin, 1793.

Bild:
<< vorherige Seite


die Materie entstanden? Das allervollkommenste Wesen das sie als die höchste Jntelligenz bestimmen, kann blos als würkende, formelle und Endursache, keinesweges aber als materielle Ursache betrachtet werden. Die Allmacht sagen sie, hat die Materie aus nichts hervorgebracht. Aber der Begriff dieser Allmacht selbst, ist blos problematisch und kann von uns auf keinerlei Weise dargestellt werden. Er hat also keine objektive Realität. Es ist uns hier nicht blos um die Grösse der Würkung, sondern um die Würkungsart gelegen. Jch kann mir allerdings eine Kraft von bestimmter Würkung vorstellen, die größer als jede gegebene Kraft ist, aber nicht eine Kraft als Objekt bestimmen, von deren Würkung ich nicht (ausser den transzendentalen Begriff von Ursache und Substanz) den mindesten Begriff habe. Leibniz erklärt sich nicht darüber geradezu, aber aus seinem System läßt sich seine Meinung hierüber leicht errathen. --

Plato behauptet die Materie ist von dem sie regierenden Geiste unzertrennlich, und folglich gleich ihm ewig. Sie ist der Stoff woraus er alles nach Belieben hervorbringt. Dieser Meinung ist auch der V. zugethan.

Wir können uns die Würkungsart dieser höchsten Jntelligenz nicht anders als eine Konstruktion a priori denken, d.h. so daß nicht blos, wie in einer Konstruktion a posteriori, die Form a priori in einer empyrischen Materie dargestellt,


die Materie entstanden? Das allervollkommenste Wesen das sie als die hoͤchste Jntelligenz bestimmen, kann blos als wuͤrkende, formelle und Endursache, keinesweges aber als materielle Ursache betrachtet werden. Die Allmacht sagen sie, hat die Materie aus nichts hervorgebracht. Aber der Begriff dieser Allmacht selbst, ist blos problematisch und kann von uns auf keinerlei Weise dargestellt werden. Er hat also keine objektive Realitaͤt. Es ist uns hier nicht blos um die Groͤsse der Wuͤrkung, sondern um die Wuͤrkungsart gelegen. Jch kann mir allerdings eine Kraft von bestimmter Wuͤrkung vorstellen, die groͤßer als jede gegebene Kraft ist, aber nicht eine Kraft als Objekt bestimmen, von deren Wuͤrkung ich nicht (ausser den transzendentalen Begriff von Ursache und Substanz) den mindesten Begriff habe. Leibniz erklaͤrt sich nicht daruͤber geradezu, aber aus seinem System laͤßt sich seine Meinung hieruͤber leicht errathen. —

Plato behauptet die Materie ist von dem sie regierenden Geiste unzertrennlich, und folglich gleich ihm ewig. Sie ist der Stoff woraus er alles nach Belieben hervorbringt. Dieser Meinung ist auch der V. zugethan.

Wir koͤnnen uns die Wuͤrkungsart dieser hoͤchsten Jntelligenz nicht anders als eine Konstruktion a priori denken, d.h. so daß nicht blos, wie in einer Konstruktion a posteriori, die Form a priori in einer empyrischen Materie dargestellt,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0071" n="71"/><lb/>
die Materie entstanden? Das allervollkommenste Wesen das sie                         als die ho&#x0364;chste Jntelligenz bestimmen, kann blos als wu&#x0364;rkende, formelle und                         Endursache, keinesweges aber als materielle Ursache betrachtet werden. Die                         Allmacht sagen sie, hat die Materie aus nichts hervorgebracht. Aber der                         Begriff dieser Allmacht selbst, ist blos <hi rendition="#b">problematisch</hi> und kann von uns auf keinerlei Weise dargestellt                         werden. Er hat also keine objektive Realita&#x0364;t. Es ist uns hier nicht blos um                         die <hi rendition="#b">Gro&#x0364;sse der Wu&#x0364;rkung,</hi> sondern um die <hi rendition="#b">Wu&#x0364;rkungsart</hi> gelegen. Jch kann mir allerdings eine                         Kraft von bestimmter Wu&#x0364;rkung vorstellen, die gro&#x0364;ßer als jede gegebene Kraft                         ist, aber nicht eine Kraft als Objekt bestimmen, von deren Wu&#x0364;rkung ich nicht                         (ausser den transzendentalen Begriff von Ursache und Substanz) den mindesten                         Begriff habe. Leibniz erkla&#x0364;rt sich nicht daru&#x0364;ber geradezu, aber aus seinem                         System la&#x0364;ßt sich seine Meinung hieru&#x0364;ber leicht errathen. &#x2014;</p>
              <p><hi rendition="#b">Plato</hi> behauptet die Materie ist von dem sie                         regierenden Geiste unzertrennlich, und folglich gleich ihm ewig. Sie ist der                         Stoff woraus er alles nach Belieben hervorbringt. Dieser Meinung ist auch                         der V. zugethan.</p>
              <p>Wir ko&#x0364;nnen uns die Wu&#x0364;rkungsart dieser ho&#x0364;chsten Jntelligenz nicht anders als                         eine <hi rendition="#b">Konstruktion</hi> <hi rendition="#i">a priori</hi> denken, d.h. so daß nicht blos, wie in                         einer Konstruktion <hi rendition="#aq">a posteriori,</hi> die Form <hi rendition="#aq">a priori </hi> in einer empyrischen Materie <hi rendition="#b">dargestellt,</hi><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[71/0071] die Materie entstanden? Das allervollkommenste Wesen das sie als die hoͤchste Jntelligenz bestimmen, kann blos als wuͤrkende, formelle und Endursache, keinesweges aber als materielle Ursache betrachtet werden. Die Allmacht sagen sie, hat die Materie aus nichts hervorgebracht. Aber der Begriff dieser Allmacht selbst, ist blos problematisch und kann von uns auf keinerlei Weise dargestellt werden. Er hat also keine objektive Realitaͤt. Es ist uns hier nicht blos um die Groͤsse der Wuͤrkung, sondern um die Wuͤrkungsart gelegen. Jch kann mir allerdings eine Kraft von bestimmter Wuͤrkung vorstellen, die groͤßer als jede gegebene Kraft ist, aber nicht eine Kraft als Objekt bestimmen, von deren Wuͤrkung ich nicht (ausser den transzendentalen Begriff von Ursache und Substanz) den mindesten Begriff habe. Leibniz erklaͤrt sich nicht daruͤber geradezu, aber aus seinem System laͤßt sich seine Meinung hieruͤber leicht errathen. — Plato behauptet die Materie ist von dem sie regierenden Geiste unzertrennlich, und folglich gleich ihm ewig. Sie ist der Stoff woraus er alles nach Belieben hervorbringt. Dieser Meinung ist auch der V. zugethan. Wir koͤnnen uns die Wuͤrkungsart dieser hoͤchsten Jntelligenz nicht anders als eine Konstruktion a priori denken, d.h. so daß nicht blos, wie in einer Konstruktion a posteriori, die Form a priori in einer empyrischen Materie dargestellt,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, University of Glasgow, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01002_1793
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01002_1793/71
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 2. Berlin, 1793, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01002_1793/71>, abgerufen am 14.05.2024.