Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 2. Berlin, 1793.

Bild:
<< vorherige Seite

Der grobe Schwärmer verräth einen Mangel des Erkenntnißvermögens, nicht die Jdee von der höchsten Vollkommenheit des Gegenstandes an sich, sondern die dunkel wahrgenommene Beziehung desselben auf den Zustand seiner Empfindung spornet ihn zu Untersuchungen über denselben an. Der kalte, schulgerechte Philosoph verräth zwar keinen Mangel des sich auf bestimmte Objekte beziehenden Erkenntnißvermögens, aber doch einen Mangel an Genie. Der Schwärmer von der höheren Art ist ein Genie. Er findet in der schulgerechten Erkenntniß des Philosophen Spuren einer höheren Erkenntniß. Diese bestrebt er sich, ob zwar auf eine unvollkommene Art, darzustellen. Da nun diese Spuren viel tiefer im Erkenntnißvermögen liegen als jede bestimmte Erkenntniß, so ist es kein Wunder, wenn er zuweilen diese jenen aufopfert, und nach Leitung des Genies auf unbekannte Wege herumwandelt.

S. Maimon.



Der grobe Schwaͤrmer verraͤth einen Mangel des Erkenntnißvermoͤgens, nicht die Jdee von der hoͤchsten Vollkommenheit des Gegenstandes an sich, sondern die dunkel wahrgenommene Beziehung desselben auf den Zustand seiner Empfindung spornet ihn zu Untersuchungen uͤber denselben an. Der kalte, schulgerechte Philosoph verraͤth zwar keinen Mangel des sich auf bestimmte Objekte beziehenden Erkenntnißvermoͤgens, aber doch einen Mangel an Genie. Der Schwaͤrmer von der hoͤheren Art ist ein Genie. Er findet in der schulgerechten Erkenntniß des Philosophen Spuren einer hoͤheren Erkenntniß. Diese bestrebt er sich, ob zwar auf eine unvollkommene Art, darzustellen. Da nun diese Spuren viel tiefer im Erkenntnißvermoͤgen liegen als jede bestimmte Erkenntniß, so ist es kein Wunder, wenn er zuweilen diese jenen aufopfert, und nach Leitung des Genies auf unbekannte Wege herumwandelt.

S. Maimon.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <pb facs="#f0084" n="84"/><lb/>
              <p>Der <hi rendition="#b">grobe Schwa&#x0364;rmer</hi> verra&#x0364;th einen <hi rendition="#b">Mangel</hi> des Erkenntnißvermo&#x0364;gens, nicht die <hi rendition="#b">Jdee</hi> von der <hi rendition="#b">ho&#x0364;chsten Vollkommenheit</hi> des Gegenstandes an sich, sondern die dunkel wahrgenommene Beziehung                         desselben auf den Zustand seiner Empfindung spornet ihn zu Untersuchungen                         u&#x0364;ber denselben an. Der kalte, schulgerechte <hi rendition="#b">Philosoph</hi> verra&#x0364;th zwar keinen Mangel des sich auf bestimmte                         Objekte beziehenden Erkenntnißvermo&#x0364;gens, aber doch einen Mangel an <hi rendition="#b">Genie.</hi> Der <hi rendition="#b">Schwa&#x0364;rmer von der                             ho&#x0364;heren Art</hi> ist ein <hi rendition="#b">Genie.</hi> Er findet in                         der schulgerechten Erkenntniß des Philosophen <hi rendition="#b">Spuren einer                             ho&#x0364;heren Erkenntniß.</hi> Diese bestrebt er sich, ob zwar auf eine                         unvollkommene Art, darzustellen. Da nun diese <hi rendition="#b">Spuren</hi> viel tiefer im Erkenntnißvermo&#x0364;gen liegen als jede                         bestimmte Erkenntniß, so ist es kein Wunder, wenn er zuweilen diese jenen                         aufopfert, und nach Leitung des Genies auf unbekannte Wege herumwandelt.</p>
              <p rendition="#right"> <hi rendition="#b">
                  <persName ref="#ref0003"><note type="editorial">Maimon, Salomon</note>S. Maimon.</persName>
                </hi> </p><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[84/0084] Der grobe Schwaͤrmer verraͤth einen Mangel des Erkenntnißvermoͤgens, nicht die Jdee von der hoͤchsten Vollkommenheit des Gegenstandes an sich, sondern die dunkel wahrgenommene Beziehung desselben auf den Zustand seiner Empfindung spornet ihn zu Untersuchungen uͤber denselben an. Der kalte, schulgerechte Philosoph verraͤth zwar keinen Mangel des sich auf bestimmte Objekte beziehenden Erkenntnißvermoͤgens, aber doch einen Mangel an Genie. Der Schwaͤrmer von der hoͤheren Art ist ein Genie. Er findet in der schulgerechten Erkenntniß des Philosophen Spuren einer hoͤheren Erkenntniß. Diese bestrebt er sich, ob zwar auf eine unvollkommene Art, darzustellen. Da nun diese Spuren viel tiefer im Erkenntnißvermoͤgen liegen als jede bestimmte Erkenntniß, so ist es kein Wunder, wenn er zuweilen diese jenen aufopfert, und nach Leitung des Genies auf unbekannte Wege herumwandelt. S. Maimon.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, University of Glasgow, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01002_1793
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01002_1793/84
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 2. Berlin, 1793, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01002_1793/84>, abgerufen am 14.05.2024.