Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 3. Berlin, 1793.

Bild:
<< vorherige Seite


selbst verschieden seyn, so daß z.B. der Grad, womit a gegen b größer seyn kann, als der Grad, womit b mit a assoziirt wird. 5) Es giebt auch eine Ordnung in der Assoziation. 6) Die Vorstellung der Objekte geht der Sprache, und diese der Schrift voraus. 7) Aus 4 und 6 läßt sich erklären, warum ein Kind mit der Benennung eines Dinges immer die Vorstellung, nicht aber mit der Vorstellung immer die Benennung verknüpft. 8) Was sonst schwer zu bewerkstelligen ist, wird durch die Assoziation erleichtert.

Die Erklärung dieser Erscheinung ist also kürzlich diese: Dieser Mann, dessen Sprachwerkzeuge zum Theil gelähmt, folglich zum leichten Sprechen ungeschickt gemacht worden, mußte durch Hülfe der Assoziation dazu gebracht werden.

Nun ist aber die Vorstellung des gehörten Wortes mit gar nichts assoziirt, und sollte auch die dadurch bezeichnete Sache gegenwärtig seyn, so ist doch die Vorstellung der Sache der Vorstellung des Wortes lange vorhergegangen, folglich der Grad der Assoziation der Vorstellung des Wortes mit der Vorstellung der Sache viel geringer, als zur Hervorbringung dieser Wirkung erforderlich ist. Dahingegen die Vorstellung des geschriebenen Wortes mit der Vorstellung des gesprochenen Wortes im höchsten Grade assoziirt ist, weil diese nie ohne jene (ihr lange vorher gegangene) im Gemüthe anzutreffen war. Daher konnte bloß das gelesene,


selbst verschieden seyn, so daß z.B. der Grad, womit a gegen b groͤßer seyn kann, als der Grad, womit b mit a assoziirt wird. 5) Es giebt auch eine Ordnung in der Assoziation. 6) Die Vorstellung der Objekte geht der Sprache, und diese der Schrift voraus. 7) Aus 4 und 6 laͤßt sich erklaͤren, warum ein Kind mit der Benennung eines Dinges immer die Vorstellung, nicht aber mit der Vorstellung immer die Benennung verknuͤpft. 8) Was sonst schwer zu bewerkstelligen ist, wird durch die Assoziation erleichtert.

Die Erklaͤrung dieser Erscheinung ist also kuͤrzlich diese: Dieser Mann, dessen Sprachwerkzeuge zum Theil gelaͤhmt, folglich zum leichten Sprechen ungeschickt gemacht worden, mußte durch Huͤlfe der Assoziation dazu gebracht werden.

Nun ist aber die Vorstellung des gehoͤrten Wortes mit gar nichts assoziirt, und sollte auch die dadurch bezeichnete Sache gegenwaͤrtig seyn, so ist doch die Vorstellung der Sache der Vorstellung des Wortes lange vorhergegangen, folglich der Grad der Assoziation der Vorstellung des Wortes mit der Vorstellung der Sache viel geringer, als zur Hervorbringung dieser Wirkung erforderlich ist. Dahingegen die Vorstellung des geschriebenen Wortes mit der Vorstellung des gesprochenen Wortes im hoͤchsten Grade assoziirt ist, weil diese nie ohne jene (ihr lange vorher gegangene) im Gemuͤthe anzutreffen war. Daher konnte bloß das gelesene,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0120" n="120"/><lb/>
selbst verschieden seyn, so daß z.B.                         der Grad, womit <hi rendition="#aq">a</hi> gegen <hi rendition="#aq">b</hi> gro&#x0364;ßer seyn kann, als der Grad, womit <hi rendition="#aq">b</hi> mit <hi rendition="#aq">a</hi> <choice><corr>assoziirt</corr><sic>assozirt</sic></choice>                         wird. 5) Es giebt auch eine <hi rendition="#b">Ordnung</hi> in der                         Assoziation. 6) Die Vorstellung der Objekte geht der Sprache, und diese der                         Schrift voraus. 7) Aus 4 und 6 la&#x0364;ßt sich erkla&#x0364;ren, warum ein Kind mit der                         Benennung eines Dinges immer die Vorstellung, nicht aber mit der Vorstellung                         immer die Benennung verknu&#x0364;pft. 8) Was sonst schwer zu bewerkstelligen ist,                         wird durch die Assoziation erleichtert.</p>
            <p>Die Erkla&#x0364;rung dieser                         Erscheinung ist also ku&#x0364;rzlich diese: Dieser Mann, dessen Sprachwerkzeuge zum                         Theil gela&#x0364;hmt, folglich zum leichten Sprechen ungeschickt gemacht worden,                         mußte durch Hu&#x0364;lfe der Assoziation dazu gebracht werden.</p>
            <p>Nun ist aber                         die Vorstellung des geho&#x0364;rten Wortes mit gar nichts assoziirt, und sollte                         auch die dadurch bezeichnete Sache gegenwa&#x0364;rtig seyn, so ist doch die                         Vorstellung der Sache der Vorstellung des Wortes lange vorhergegangen,                         folglich der Grad der Assoziation der Vorstellung des Wortes mit der                         Vorstellung der Sache viel geringer, als zur Hervorbringung dieser Wirkung                         erforderlich ist. Dahingegen die Vorstellung des geschriebenen Wortes mit                         der Vorstellung des gesprochenen Wortes im ho&#x0364;chsten Grade assoziirt ist,                         weil diese nie ohne jene (ihr lange vorher gegangene) im Gemu&#x0364;the anzutreffen                         war. Daher konnte bloß das <hi rendition="#b">gelesene,</hi><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[120/0120] selbst verschieden seyn, so daß z.B. der Grad, womit a gegen b groͤßer seyn kann, als der Grad, womit b mit a assoziirt wird. 5) Es giebt auch eine Ordnung in der Assoziation. 6) Die Vorstellung der Objekte geht der Sprache, und diese der Schrift voraus. 7) Aus 4 und 6 laͤßt sich erklaͤren, warum ein Kind mit der Benennung eines Dinges immer die Vorstellung, nicht aber mit der Vorstellung immer die Benennung verknuͤpft. 8) Was sonst schwer zu bewerkstelligen ist, wird durch die Assoziation erleichtert. Die Erklaͤrung dieser Erscheinung ist also kuͤrzlich diese: Dieser Mann, dessen Sprachwerkzeuge zum Theil gelaͤhmt, folglich zum leichten Sprechen ungeschickt gemacht worden, mußte durch Huͤlfe der Assoziation dazu gebracht werden. Nun ist aber die Vorstellung des gehoͤrten Wortes mit gar nichts assoziirt, und sollte auch die dadurch bezeichnete Sache gegenwaͤrtig seyn, so ist doch die Vorstellung der Sache der Vorstellung des Wortes lange vorhergegangen, folglich der Grad der Assoziation der Vorstellung des Wortes mit der Vorstellung der Sache viel geringer, als zur Hervorbringung dieser Wirkung erforderlich ist. Dahingegen die Vorstellung des geschriebenen Wortes mit der Vorstellung des gesprochenen Wortes im hoͤchsten Grade assoziirt ist, weil diese nie ohne jene (ihr lange vorher gegangene) im Gemuͤthe anzutreffen war. Daher konnte bloß das gelesene,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, University of Glasgow, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01003_1793
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01003_1793/120
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 3. Berlin, 1793, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01003_1793/120>, abgerufen am 22.12.2024.