Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 3. Berlin, 1793.42-44. Eine alte Frau von beinahe siebenzig Jahren, wurde, durch einen Zufall auf einmal vom Schlage gerührt, so daß sie die Tage hindurch fast ganz einer todten Person glich. Vier Tage darauf bekam sie ihre Sprache wieder, und ernannte diejenige Personen, welche ihr das Sterbekleid anziehen, und sie, da sie bereits wirklich todt sei, in den Sarg legen sollten. Alle Mühe, die man sich gab, sie von ihrem lächerlichen Wahn zu befreien, war vergeblich. Man mußte, um sie zu beruhigen, sie wie eine Leiche ankleiden, und auf ein Paradebette legen. Sie selbst beschäftigte sich hier so geputzt als möglich zu erscheinen. Endlich fiel sie in einen Schlaf, wo man sie alsdann wieder auskleidete, und in ihr Bette legte. Nachdem sie wieder aufgewacht war, bekam sie wieder die vorige Grille. Durch Hülfe des Arztes aber wurde sie endlich dahin gebracht, daß sie im Lande der Lebendigen zu seyn glaubte. Aber nun äußerte sie oft, daß sie in N... bei ihrer Tochter wäre, und machte zuweilen Anstalt zur Rückreise nach K... Man ließ sie die Stadt herumfahren und zurück nach Hause bringen, so daß sie wirklich glaubte von N... zurückgekehrt zu seyn. Nachher bekam sie ihren Paroxysmus alle Vierteljahr, und wunderte sich hernach allemal, wie sie wieder ins Leben zurückgekehrt sey. Während 42-44. Eine alte Frau von beinahe siebenzig Jahren, wurde, durch einen Zufall auf einmal vom Schlage geruͤhrt, so daß sie die Tage hindurch fast ganz einer todten Person glich. Vier Tage darauf bekam sie ihre Sprache wieder, und ernannte diejenige Personen, welche ihr das Sterbekleid anziehen, und sie, da sie bereits wirklich todt sei, in den Sarg legen sollten. Alle Muͤhe, die man sich gab, sie von ihrem laͤcherlichen Wahn zu befreien, war vergeblich. Man mußte, um sie zu beruhigen, sie wie eine Leiche ankleiden, und auf ein Paradebette legen. Sie selbst beschaͤftigte sich hier so geputzt als moͤglich zu erscheinen. Endlich fiel sie in einen Schlaf, wo man sie alsdann wieder auskleidete, und in ihr Bette legte. Nachdem sie wieder aufgewacht war, bekam sie wieder die vorige Grille. Durch Huͤlfe des Arztes aber wurde sie endlich dahin gebracht, daß sie im Lande der Lebendigen zu seyn glaubte. Aber nun aͤußerte sie oft, daß sie in N... bei ihrer Tochter waͤre, und machte zuweilen Anstalt zur Ruͤckreise nach K... Man ließ sie die Stadt herumfahren und zuruͤck nach Hause bringen, so daß sie wirklich glaubte von N... zuruͤckgekehrt zu seyn. Nachher bekam sie ihren Paroxysmus alle Vierteljahr, und wunderte sich hernach allemal, wie sie wieder ins Leben zuruͤckgekehrt sey. Waͤhrend <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0092" n="92"/><lb/> </div> <div n="3"> <head>42-44.</head><lb/> <p>Eine alte Frau von beinahe siebenzig Jahren, wurde, durch einen Zufall auf einmal vom Schlage geruͤhrt, so daß sie die Tage hindurch fast ganz einer todten Person glich. Vier Tage darauf bekam sie ihre Sprache wieder, und ernannte diejenige Personen, welche ihr das Sterbekleid anziehen, und sie, da sie bereits wirklich todt sei, in den Sarg legen sollten.</p> <p>Alle Muͤhe, die man sich gab, sie von ihrem laͤcherlichen Wahn zu befreien, war vergeblich. Man mußte, um sie zu beruhigen, sie wie eine Leiche ankleiden, und auf ein Paradebette legen. Sie selbst beschaͤftigte sich hier so geputzt als moͤglich zu erscheinen. Endlich fiel sie in einen Schlaf, wo man sie alsdann wieder auskleidete, und in ihr Bette legte. Nachdem sie wieder aufgewacht war, bekam sie wieder die vorige Grille. Durch Huͤlfe des Arztes aber wurde sie endlich dahin gebracht, daß sie im Lande der Lebendigen zu seyn glaubte. Aber nun aͤußerte sie oft, daß sie in N... bei ihrer Tochter waͤre, und machte zuweilen Anstalt zur Ruͤckreise nach K... Man ließ sie die Stadt herumfahren und zuruͤck nach Hause bringen, so daß sie wirklich glaubte von N... zuruͤckgekehrt zu seyn. Nachher bekam sie ihren Paroxysmus alle Vierteljahr, und wunderte sich hernach allemal, wie sie wieder ins Leben zuruͤckgekehrt sey. Waͤhrend<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [92/0092]
42-44.
Eine alte Frau von beinahe siebenzig Jahren, wurde, durch einen Zufall auf einmal vom Schlage geruͤhrt, so daß sie die Tage hindurch fast ganz einer todten Person glich. Vier Tage darauf bekam sie ihre Sprache wieder, und ernannte diejenige Personen, welche ihr das Sterbekleid anziehen, und sie, da sie bereits wirklich todt sei, in den Sarg legen sollten.
Alle Muͤhe, die man sich gab, sie von ihrem laͤcherlichen Wahn zu befreien, war vergeblich. Man mußte, um sie zu beruhigen, sie wie eine Leiche ankleiden, und auf ein Paradebette legen. Sie selbst beschaͤftigte sich hier so geputzt als moͤglich zu erscheinen. Endlich fiel sie in einen Schlaf, wo man sie alsdann wieder auskleidete, und in ihr Bette legte. Nachdem sie wieder aufgewacht war, bekam sie wieder die vorige Grille. Durch Huͤlfe des Arztes aber wurde sie endlich dahin gebracht, daß sie im Lande der Lebendigen zu seyn glaubte. Aber nun aͤußerte sie oft, daß sie in N... bei ihrer Tochter waͤre, und machte zuweilen Anstalt zur Ruͤckreise nach K... Man ließ sie die Stadt herumfahren und zuruͤck nach Hause bringen, so daß sie wirklich glaubte von N... zuruͤckgekehrt zu seyn. Nachher bekam sie ihren Paroxysmus alle Vierteljahr, und wunderte sich hernach allemal, wie sie wieder ins Leben zuruͤckgekehrt sey. Waͤhrend
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