Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 2. Berlin, 1783.Der Kranke ließ sich diesen Vorschlag gefallen, und Herr nahm Abschied von ihm, mit dem Versprechen, ihn sobald wie möglich wieder zu besuchen. Kaum aber war er weg, so änderte sich auch der gefaßte Entschluß des Kranken. Dieß sey ein neuer Kunstgrif, sagte er, wodurch man ihn nur habe bewegen wollen, von seinem Vorsatze abzuweichen: und bald darauf schrieb er in sein Tagebuch: MendelssohnHerr habe ihn an diesem Tage betrügen wollen; Mendelssohn auch verlangte er denselben nachher nicht mehr zu sprechen. Seiner Aussage nach hatte er die Zeit über, da er nichts gegessen, auch nicht den geringsten Hunger empfunden, und nunmehr, da der Durst nachließ, so enthielt er sich auch des Wassertrinkens bis zum 28sten, wo er nach einer vorhergegangnen Vorstellung und Ueberredung, nachdem er nun seit zwölf Tagen nicht das mindeste genossen, alle Stunden, von ein Uhr des Nachmittags bis um sechs Uhr, jedesmal einen Eßlöffel voll Kalbsbrühe nahm. Allein der Entschluß zu verhungern behielt wiederum die Oberhand, und der Kranke verließ aufs neue dieses Nahrungsmittel, wogegen er sich wieder wie vorher etwas wenigen Wassers bediente, welches er theils hinunterschluckte, theils den Mund damit ausspühlte, worinn er eine ausserordentliche Dürre bemerkte, so daß, wenn er redete, die Der Kranke ließ sich diesen Vorschlag gefallen, und Herr nahm Abschied von ihm, mit dem Versprechen, ihn sobald wie moͤglich wieder zu besuchen. Kaum aber war er weg, so aͤnderte sich auch der gefaßte Entschluß des Kranken. Dieß sey ein neuer Kunstgrif, sagte er, wodurch man ihn nur habe bewegen wollen, von seinem Vorsatze abzuweichen: und bald darauf schrieb er in sein Tagebuch: MendelssohnHerr habe ihn an diesem Tage betruͤgen wollen; Mendelssohn auch verlangte er denselben nachher nicht mehr zu sprechen. Seiner Aussage nach hatte er die Zeit uͤber, da er nichts gegessen, auch nicht den geringsten Hunger empfunden, und nunmehr, da der Durst nachließ, so enthielt er sich auch des Wassertrinkens bis zum 28sten, wo er nach einer vorhergegangnen Vorstellung und Ueberredung, nachdem er nun seit zwoͤlf Tagen nicht das mindeste genossen, alle Stunden, von ein Uhr des Nachmittags bis um sechs Uhr, jedesmal einen Eßloͤffel voll Kalbsbruͤhe nahm. Allein der Entschluß zu verhungern behielt wiederum die Oberhand, und der Kranke verließ aufs neue dieses Nahrungsmittel, wogegen er sich wieder wie vorher etwas wenigen Wassers bediente, welches er theils hinunterschluckte, theils den Mund damit ausspuͤhlte, worinn er eine ausserordentliche Duͤrre bemerkte, so daß, wenn er redete, die <TEI> <text> <body> <div> <div> <pb facs="#f0028" n="24"/><lb/> <p>Der Kranke ließ sich diesen Vorschlag gefallen, und Herr <persName ref="#ref0119"><note type="editorial">Mendelssohn, Moses</note>Mendelssohn</persName> nahm Abschied von ihm, mit dem Versprechen, ihn sobald wie moͤglich wieder zu besuchen. Kaum aber war er weg, so aͤnderte sich auch der gefaßte Entschluß des Kranken. Dieß sey ein neuer Kunstgrif, sagte er, wodurch man ihn nur habe bewegen wollen, von seinem Vorsatze abzuweichen: und bald darauf schrieb er in sein Tagebuch: <hi rendition="#b">Herr <persName ref="#ref0119"><note type="editorial">Mendelssohn, Moses</note>Mendelssohn</persName> habe ihn an diesem Tage betruͤgen wollen;</hi> auch verlangte er denselben nachher nicht mehr zu sprechen. </p> <p>Seiner Aussage nach hatte er die Zeit uͤber, da er nichts gegessen, auch nicht den geringsten Hunger empfunden, und nunmehr, da der Durst nachließ, so enthielt er sich auch des Wassertrinkens bis zum 28sten, wo er nach einer vorhergegangnen Vorstellung und Ueberredung, nachdem er nun seit zwoͤlf Tagen nicht das mindeste genossen, alle Stunden, von ein Uhr des Nachmittags bis um sechs Uhr, jedesmal einen Eßloͤffel voll Kalbsbruͤhe nahm. </p> <p>Allein der Entschluß zu verhungern behielt wiederum die Oberhand, und der Kranke verließ aufs neue dieses Nahrungsmittel, wogegen er sich wieder wie vorher etwas wenigen Wassers bediente, welches er theils hinunterschluckte, theils den Mund damit ausspuͤhlte, worinn er eine ausserordentliche Duͤrre bemerkte, so daß, wenn er redete, die<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [24/0028]
Der Kranke ließ sich diesen Vorschlag gefallen, und Herr Mendelssohn nahm Abschied von ihm, mit dem Versprechen, ihn sobald wie moͤglich wieder zu besuchen. Kaum aber war er weg, so aͤnderte sich auch der gefaßte Entschluß des Kranken. Dieß sey ein neuer Kunstgrif, sagte er, wodurch man ihn nur habe bewegen wollen, von seinem Vorsatze abzuweichen: und bald darauf schrieb er in sein Tagebuch: Herr Mendelssohn habe ihn an diesem Tage betruͤgen wollen; auch verlangte er denselben nachher nicht mehr zu sprechen.
Seiner Aussage nach hatte er die Zeit uͤber, da er nichts gegessen, auch nicht den geringsten Hunger empfunden, und nunmehr, da der Durst nachließ, so enthielt er sich auch des Wassertrinkens bis zum 28sten, wo er nach einer vorhergegangnen Vorstellung und Ueberredung, nachdem er nun seit zwoͤlf Tagen nicht das mindeste genossen, alle Stunden, von ein Uhr des Nachmittags bis um sechs Uhr, jedesmal einen Eßloͤffel voll Kalbsbruͤhe nahm.
Allein der Entschluß zu verhungern behielt wiederum die Oberhand, und der Kranke verließ aufs neue dieses Nahrungsmittel, wogegen er sich wieder wie vorher etwas wenigen Wassers bediente, welches er theils hinunterschluckte, theils den Mund damit ausspuͤhlte, worinn er eine ausserordentliche Duͤrre bemerkte, so daß, wenn er redete, die
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