Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 2. Berlin, 1783.
Den Ursprung dieser Einbildung leite ich bloß von der wirklichen örtlichen Veränderung meiner gewöhnlichen Schlafstätte während meiner Krankheit her. Es ist eine bekannte Sache, daß wir die erste Nacht in einem fremden Bette oder in einer fremden Stube, selbst im gesunden Zustande, schlaflos und unruhig zubringen. Der Mangel der gewöhnten Gegenstände, deren Vorstellung, die Seele bei ihrem Geschäft, (denn Geschäft kann man die willkührliche Herabspannung der Nerven und Unterdrückung der lebhaften Jdeen bei gesundem Gehirn, allerdings nennen) des Zurückziehens aus dem Gewebe der Jdeen, zu begleiten pflegt, von der einen Seite, und die stärkere Wirkung der neuen und ungewöhnlichen Gegenstände von der andren Seite, beides fesselt die Aufmerksamkeit
Den Ursprung dieser Einbildung leite ich bloß von der wirklichen oͤrtlichen Veraͤnderung meiner gewoͤhnlichen Schlafstaͤtte waͤhrend meiner Krankheit her. Es ist eine bekannte Sache, daß wir die erste Nacht in einem fremden Bette oder in einer fremden Stube, selbst im gesunden Zustande, schlaflos und unruhig zubringen. Der Mangel der gewoͤhnten Gegenstaͤnde, deren Vorstellung, die Seele bei ihrem Geschaͤft, (denn Geschaͤft kann man die willkuͤhrliche Herabspannung der Nerven und Unterdruͤckung der lebhaften Jdeen bei gesundem Gehirn, allerdings nennen) des Zuruͤckziehens aus dem Gewebe der Jdeen, zu begleiten pflegt, von der einen Seite, und die staͤrkere Wirkung der neuen und ungewoͤhnlichen Gegenstaͤnde von der andren Seite, beides fesselt die Aufmerksamkeit <TEI> <text> <body> <div> <div> <p><pb facs="#f0060" n="56"/><lb/> die auch meine Freunde waren, daß ich mich wirklich in meiner Stube befinde, waren vergebens; die Darzeigung meiner Buͤcher, an denen ich dichte lag, meiner Kupferstiche, die mir gegenuͤber hingen, war mir blosser Betrug dieser Leute. Bald hielt ich weder Buͤcher noch Kupfer fuͤr die meinigen, bald glaubte ich, man haͤtte sie an die Oerter meines Aufenthalts hingebracht. Diese Jdee war fuͤr mich die schrecklichste, die, wenn sie nicht endlich nach acht Tagen unterbrochen worden waͤre, mir gewiß den Tod zuwege gebracht haͤtte. Jch schreibe <hi rendition="#b">ihr</hi> allein mit sehr vielem Grunde meine voͤllige Schlaflosigkeit zu. </p> <p>Den Ursprung dieser Einbildung leite ich bloß von der wirklichen oͤrtlichen Veraͤnderung meiner gewoͤhnlichen Schlafstaͤtte waͤhrend meiner Krankheit her. Es ist eine bekannte Sache, daß wir die erste Nacht in einem fremden Bette oder in einer fremden Stube, selbst im gesunden Zustande, schlaflos und unruhig zubringen. Der Mangel der gewoͤhnten Gegenstaͤnde, deren Vorstellung, die Seele bei ihrem Geschaͤft, (denn <hi rendition="#b">Geschaͤft</hi> kann man die willkuͤhrliche Herabspannung der Nerven und Unterdruͤckung der lebhaften Jdeen bei gesundem Gehirn, allerdings nennen) des Zuruͤckziehens aus dem Gewebe der Jdeen, zu begleiten pflegt, von der einen Seite, und die staͤrkere Wirkung der neuen und ungewoͤhnlichen Gegenstaͤnde von der andren Seite, beides fesselt die Aufmerksamkeit<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [56/0060]
die auch meine Freunde waren, daß ich mich wirklich in meiner Stube befinde, waren vergebens; die Darzeigung meiner Buͤcher, an denen ich dichte lag, meiner Kupferstiche, die mir gegenuͤber hingen, war mir blosser Betrug dieser Leute. Bald hielt ich weder Buͤcher noch Kupfer fuͤr die meinigen, bald glaubte ich, man haͤtte sie an die Oerter meines Aufenthalts hingebracht. Diese Jdee war fuͤr mich die schrecklichste, die, wenn sie nicht endlich nach acht Tagen unterbrochen worden waͤre, mir gewiß den Tod zuwege gebracht haͤtte. Jch schreibe ihr allein mit sehr vielem Grunde meine voͤllige Schlaflosigkeit zu.
Den Ursprung dieser Einbildung leite ich bloß von der wirklichen oͤrtlichen Veraͤnderung meiner gewoͤhnlichen Schlafstaͤtte waͤhrend meiner Krankheit her. Es ist eine bekannte Sache, daß wir die erste Nacht in einem fremden Bette oder in einer fremden Stube, selbst im gesunden Zustande, schlaflos und unruhig zubringen. Der Mangel der gewoͤhnten Gegenstaͤnde, deren Vorstellung, die Seele bei ihrem Geschaͤft, (denn Geschaͤft kann man die willkuͤhrliche Herabspannung der Nerven und Unterdruͤckung der lebhaften Jdeen bei gesundem Gehirn, allerdings nennen) des Zuruͤckziehens aus dem Gewebe der Jdeen, zu begleiten pflegt, von der einen Seite, und die staͤrkere Wirkung der neuen und ungewoͤhnlichen Gegenstaͤnde von der andren Seite, beides fesselt die Aufmerksamkeit
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0102_1783 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0102_1783/60 |
Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 2. Berlin, 1783, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0102_1783/60>, abgerufen am 27.07.2024. |