Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 2. Berlin, 1783.
<TEI> <text> <body> <div> <div> <p><pb facs="#f0067" n="63"/><lb/> Bilder mich quaͤlten, so gab ich mir bei der Remißion oft Muͤhe, sie aus meinem Gedaͤchtnisse zu verbannen, und suchte allerhand kindische Zerstreuungen. Einst ließ ich mir vom Markte ein Regiment hoͤlzerne Soldaten, eine Kegelbahn und dergleichen Spielzeug mehr holen, und mein alter Schwiegervater und meine Geliebte mußten mit mir spielen. Mit welchem Gemuͤthe koͤnnen Sie sich leicht vorstellen. Jndessen sobald der Anfall des Fiebers wieder herankam, so war meine Staͤrke die Bilder zu unterdruͤcken verloschen; eine Waͤrme durchdrang meinen ganzen Koͤrper, und auch meine ganze Seele; mein Gehirn ward wieder erleuchtet, und das ganze Schattenspiel drang sich mir wieder mit aͤusserster Lebhaftigkeit auf. Unter den Rezepten dieses Tages finde ich bloß einen Trank aus dem <hi rendition="#b">Wermuthsalz.</hi> Zu welchem Ende errathe ich nicht. Die Nacht war graͤßlich, meine Raserei war uͤberschwenglich, noch schlimmer aber der folgende Tag, der 28ste. Die Heftigkeit meiner Raserei ließ gegen Mittag nach, dagegen verfiel ich in einen Tetanum. Jch war kaum im Stande ein einziges Glied zu bewegen. Jch hatte mein Bewußtseyn, und wollte gerne mit meinen Aerzten sprechen, aber meine Zunge war voͤllig gelaͤhmt. Jch hielt diesen Zustand ganz gewiß fuͤr die aͤusserste Grenze zwischen dem Reiche des Lebens und des Todes, und lag ruhig und zufrieden, die erwuͤnschte Ueberfahrt erwartend. Aus Mangel der Sprache<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [63/0067]
Bilder mich quaͤlten, so gab ich mir bei der Remißion oft Muͤhe, sie aus meinem Gedaͤchtnisse zu verbannen, und suchte allerhand kindische Zerstreuungen. Einst ließ ich mir vom Markte ein Regiment hoͤlzerne Soldaten, eine Kegelbahn und dergleichen Spielzeug mehr holen, und mein alter Schwiegervater und meine Geliebte mußten mit mir spielen. Mit welchem Gemuͤthe koͤnnen Sie sich leicht vorstellen. Jndessen sobald der Anfall des Fiebers wieder herankam, so war meine Staͤrke die Bilder zu unterdruͤcken verloschen; eine Waͤrme durchdrang meinen ganzen Koͤrper, und auch meine ganze Seele; mein Gehirn ward wieder erleuchtet, und das ganze Schattenspiel drang sich mir wieder mit aͤusserster Lebhaftigkeit auf. Unter den Rezepten dieses Tages finde ich bloß einen Trank aus dem Wermuthsalz. Zu welchem Ende errathe ich nicht. Die Nacht war graͤßlich, meine Raserei war uͤberschwenglich, noch schlimmer aber der folgende Tag, der 28ste. Die Heftigkeit meiner Raserei ließ gegen Mittag nach, dagegen verfiel ich in einen Tetanum. Jch war kaum im Stande ein einziges Glied zu bewegen. Jch hatte mein Bewußtseyn, und wollte gerne mit meinen Aerzten sprechen, aber meine Zunge war voͤllig gelaͤhmt. Jch hielt diesen Zustand ganz gewiß fuͤr die aͤusserste Grenze zwischen dem Reiche des Lebens und des Todes, und lag ruhig und zufrieden, die erwuͤnschte Ueberfahrt erwartend. Aus Mangel der Sprache
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