Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 3. Berlin, 1783.

Bild:
<< vorherige Seite

Phil. Ja, denn muß ich erst wissen, obs sehr geläutet hat.

"Also am sehr Läuten sind sie sich nicht ähnlich?

Phil. Nein.

"Siehst Du, daran sind sie unterschieden, und darum kannst Du jeden besonders kennen; den Vater am starken und den Sohn am schwachen Läuten. Nun denke weiter nach: ich habe gesagt, alle Seelen denken und wollen, darum sind sie sich ähnlich; sie denken und wollen aber nicht alle einerlei, daran sind sie unterschieden, und darum kann man jede besonders kennen. Du denkst und willst, Dein Bruder auch; daran weiß ich, daß ihr beide Seelen habt; aber Du denkst oft und lange über eine Sache nach, und Dein Bruder selten und nicht lange; Du magst gern Blumen sammeln, Dein Bruder nicht. Du denkst und willst also anders als Dein Bruder, daran merke ich, daß ihr zwei verschiedene Seelen habt; ich kann Dich also von ihm unterscheiden, und Dich besonders kennen. Nun merke Dir noch eins; wenn man sich von einer Seele etwas merken will, um sie wieder zu kennen, so müssen es nicht Handlungen seyn, die sie selten thut, sondern solche, die man oft von ihr siehet. Denn siehe, Philipp, was Du oft thust, das gewöhnst Du Dir endlich an, das wird Dir eigen, nicht wahr?

Phil. Ja; wie das schnelle Laufen.



Phil. Ja, denn muß ich erst wissen, obs sehr gelaͤutet hat.

»Also am sehr Laͤuten sind sie sich nicht aͤhnlich?

Phil. Nein.

»Siehst Du, daran sind sie unterschieden, und darum kannst Du jeden besonders kennen; den Vater am starken und den Sohn am schwachen Laͤuten. Nun denke weiter nach: ich habe gesagt, alle Seelen denken und wollen, darum sind sie sich aͤhnlich; sie denken und wollen aber nicht alle einerlei, daran sind sie unterschieden, und darum kann man jede besonders kennen. Du denkst und willst, Dein Bruder auch; daran weiß ich, daß ihr beide Seelen habt; aber Du denkst oft und lange uͤber eine Sache nach, und Dein Bruder selten und nicht lange; Du magst gern Blumen sammeln, Dein Bruder nicht. Du denkst und willst also anders als Dein Bruder, daran merke ich, daß ihr zwei verschiedene Seelen habt; ich kann Dich also von ihm unterscheiden, und Dich besonders kennen. Nun merke Dir noch eins; wenn man sich von einer Seele etwas merken will, um sie wieder zu kennen, so muͤssen es nicht Handlungen seyn, die sie selten thut, sondern solche, die man oft von ihr siehet. Denn siehe, Philipp, was Du oft thust, das gewoͤhnst Du Dir endlich an, das wird Dir eigen, nicht wahr?

Phil. Ja; wie das schnelle Laufen.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div>
          <pb facs="#f0122" n="118"/><lb/>
          <p><hi rendition="#b">Phil.</hi> Ja, denn muß ich erst wissen, obs                         sehr gela&#x0364;utet hat. </p>
          <p>»Also am sehr La&#x0364;uten sind sie sich nicht a&#x0364;hnlich? </p>
          <p><hi rendition="#b">Phil.</hi> Nein. </p>
          <p>»Siehst Du, daran sind sie unterschieden, und darum kannst Du                         jeden besonders kennen; den Vater am starken und den Sohn am schwachen                         La&#x0364;uten. Nun denke weiter nach: ich habe gesagt, alle Seelen denken und                         wollen, darum sind sie sich a&#x0364;hnlich; sie denken und wollen aber nicht alle                         einerlei, daran sind sie unterschieden, und darum kann man jede besonders                                 <choice><corr>kennen.</corr><sic>ko&#x0364;nnen.</sic></choice> Du denkst und                         willst, Dein Bruder auch; daran weiß ich, daß ihr beide Seelen habt; aber <hi rendition="#b">Du</hi> denkst <hi rendition="#b">oft</hi> und <hi rendition="#b">lange</hi> u&#x0364;ber eine Sache nach, und Dein Bruder <hi rendition="#b">selten</hi> und <hi rendition="#b">nicht lange;</hi> Du magst                         gern Blumen sammeln, Dein Bruder nicht. Du denkst und willst also anders als                         Dein Bruder, daran merke ich, daß ihr zwei verschiedene Seelen habt; ich                         kann Dich also von ihm unterscheiden, und Dich besonders kennen. Nun merke                         Dir noch eins; wenn man sich von einer Seele etwas merken will, um sie                         wieder zu kennen, so mu&#x0364;ssen es nicht Handlungen seyn, die sie selten thut,                         sondern solche, die man oft von ihr siehet. Denn siehe, Philipp, was Du oft                         thust, das gewo&#x0364;hnst Du Dir endlich an, das wird Dir eigen, nicht wahr? </p>
          <p><hi rendition="#b">Phil.</hi> Ja; wie das schnelle Laufen. </p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[118/0122] Phil. Ja, denn muß ich erst wissen, obs sehr gelaͤutet hat. »Also am sehr Laͤuten sind sie sich nicht aͤhnlich? Phil. Nein. »Siehst Du, daran sind sie unterschieden, und darum kannst Du jeden besonders kennen; den Vater am starken und den Sohn am schwachen Laͤuten. Nun denke weiter nach: ich habe gesagt, alle Seelen denken und wollen, darum sind sie sich aͤhnlich; sie denken und wollen aber nicht alle einerlei, daran sind sie unterschieden, und darum kann man jede besonders kennen. Du denkst und willst, Dein Bruder auch; daran weiß ich, daß ihr beide Seelen habt; aber Du denkst oft und lange uͤber eine Sache nach, und Dein Bruder selten und nicht lange; Du magst gern Blumen sammeln, Dein Bruder nicht. Du denkst und willst also anders als Dein Bruder, daran merke ich, daß ihr zwei verschiedene Seelen habt; ich kann Dich also von ihm unterscheiden, und Dich besonders kennen. Nun merke Dir noch eins; wenn man sich von einer Seele etwas merken will, um sie wieder zu kennen, so muͤssen es nicht Handlungen seyn, die sie selten thut, sondern solche, die man oft von ihr siehet. Denn siehe, Philipp, was Du oft thust, das gewoͤhnst Du Dir endlich an, das wird Dir eigen, nicht wahr? Phil. Ja; wie das schnelle Laufen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0103_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0103_1783/122
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 3. Berlin, 1783, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0103_1783/122>, abgerufen am 27.11.2024.