Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 3. Berlin, 1783.

Bild:
<< vorherige Seite

"Man nennt es drum Deine Eigenschaft. Solche Eigenschaften hat nun eine jede Seele; eine hat die übele Eigenschaft, daß sie gern lügt, d.h. sie hat sichs angewöhnt, oft Dinge zu sagen, die nicht wahr sind; eine andere hat die Eigenschaft, über eine jede Sache lange nachzudenken, u.s.w. Jn diesen Eigenschaften kennt man eigentlich die Seelen. Wenn ich Dich nun frage: woran einst Dein Vater Deine Seele wieder kennen wird, was wirst Du mir nun antworten?

Phil. An den Eigenschaften, die sie hat.

"Recht, merke Dir das für jetzt, und sorge dafür, daß Deine Seele lauter gute Eigenschaften bekömmt, denn wird sich einst Dein Vater recht über Dich freuen. Jch könnte Dir freilich noch manches über diese Sache sagen, aber Du bist ein siebenjähriger Knabe, und würdest mich also doch noch nicht recht verstehen. Warte noch eine Weile, bis Du verständiger wirst, denn kannst Du aus Büchern und von klugen Leuten mehr erfahren; vielleicht erräthst Du auch, durch vernünftiges Nachdenken, manches, was Du itzt nicht weißt, selbst; und das wird Dir denn recht viel Freude machen, wenn Du selbst so was erdenken kannst.

Phil. Wirds wohl noch lange, ehe ich so verständig werde?

"Wenn Du über alles, was Du hörst, siehest und liesest, fleißig nachdenkst, so kannst Du es bald werden.



»Man nennt es drum Deine Eigenschaft. Solche Eigenschaften hat nun eine jede Seele; eine hat die uͤbele Eigenschaft, daß sie gern luͤgt, d.h. sie hat sichs angewoͤhnt, oft Dinge zu sagen, die nicht wahr sind; eine andere hat die Eigenschaft, uͤber eine jede Sache lange nachzudenken, u.s.w. Jn diesen Eigenschaften kennt man eigentlich die Seelen. Wenn ich Dich nun frage: woran einst Dein Vater Deine Seele wieder kennen wird, was wirst Du mir nun antworten?

Phil. An den Eigenschaften, die sie hat.

»Recht, merke Dir das fuͤr jetzt, und sorge dafuͤr, daß Deine Seele lauter gute Eigenschaften bekoͤmmt, denn wird sich einst Dein Vater recht uͤber Dich freuen. Jch koͤnnte Dir freilich noch manches uͤber diese Sache sagen, aber Du bist ein siebenjaͤhriger Knabe, und wuͤrdest mich also doch noch nicht recht verstehen. Warte noch eine Weile, bis Du verstaͤndiger wirst, denn kannst Du aus Buͤchern und von klugen Leuten mehr erfahren; vielleicht erraͤthst Du auch, durch vernuͤnftiges Nachdenken, manches, was Du itzt nicht weißt, selbst; und das wird Dir denn recht viel Freude machen, wenn Du selbst so was erdenken kannst.

Phil. Wirds wohl noch lange, ehe ich so verstaͤndig werde?

»Wenn Du uͤber alles, was Du hoͤrst, siehest und liesest, fleißig nachdenkst, so kannst Du es bald werden.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div>
          <pb facs="#f0123" n="119"/><lb/>
          <p>»Man nennt es drum <hi rendition="#b">Deine</hi> Eigenschaft.                         Solche Eigenschaften hat nun eine jede Seele; eine hat die u&#x0364;bele                         Eigenschaft, daß sie gern lu&#x0364;gt, d.h. sie hat sichs angewo&#x0364;hnt, oft Dinge zu                         sagen, die nicht wahr sind; eine andere hat die Eigenschaft, u&#x0364;ber eine jede                         Sache lange nachzudenken, u.s.w. Jn diesen Eigenschaften kennt man                         eigentlich die Seelen. Wenn ich Dich nun frage: woran einst Dein Vater Deine                         Seele wieder kennen wird, was wirst Du mir nun antworten? </p>
          <p><hi rendition="#b">Phil.</hi> An den Eigenschaften, die sie hat. </p>
          <p>»Recht, merke Dir das fu&#x0364;r jetzt, und sorge dafu&#x0364;r, daß Deine                         Seele lauter gute Eigenschaften beko&#x0364;mmt, denn wird sich einst Dein Vater                         recht u&#x0364;ber Dich freuen. Jch ko&#x0364;nnte Dir freilich noch manches u&#x0364;ber diese                         Sache sagen, aber Du bist ein siebenja&#x0364;hriger Knabe, und wu&#x0364;rdest mich also                         doch noch nicht recht verstehen. Warte noch eine Weile, bis Du versta&#x0364;ndiger                         wirst, denn kannst Du aus Bu&#x0364;chern und von klugen Leuten mehr erfahren;                         vielleicht erra&#x0364;thst Du auch, durch vernu&#x0364;nftiges Nachdenken, manches, was Du                         itzt nicht weißt, selbst; und das wird Dir denn recht viel Freude machen,                         wenn Du selbst so was erdenken kannst. </p>
          <p><hi rendition="#b">Phil.</hi> Wirds wohl noch lange, ehe ich so                         versta&#x0364;ndig werde? </p>
          <p>»Wenn Du u&#x0364;ber alles, was Du ho&#x0364;rst, siehest und liesest, fleißig                         nachdenkst, so kannst Du es bald werden. </p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[119/0123] »Man nennt es drum Deine Eigenschaft. Solche Eigenschaften hat nun eine jede Seele; eine hat die uͤbele Eigenschaft, daß sie gern luͤgt, d.h. sie hat sichs angewoͤhnt, oft Dinge zu sagen, die nicht wahr sind; eine andere hat die Eigenschaft, uͤber eine jede Sache lange nachzudenken, u.s.w. Jn diesen Eigenschaften kennt man eigentlich die Seelen. Wenn ich Dich nun frage: woran einst Dein Vater Deine Seele wieder kennen wird, was wirst Du mir nun antworten? Phil. An den Eigenschaften, die sie hat. »Recht, merke Dir das fuͤr jetzt, und sorge dafuͤr, daß Deine Seele lauter gute Eigenschaften bekoͤmmt, denn wird sich einst Dein Vater recht uͤber Dich freuen. Jch koͤnnte Dir freilich noch manches uͤber diese Sache sagen, aber Du bist ein siebenjaͤhriger Knabe, und wuͤrdest mich also doch noch nicht recht verstehen. Warte noch eine Weile, bis Du verstaͤndiger wirst, denn kannst Du aus Buͤchern und von klugen Leuten mehr erfahren; vielleicht erraͤthst Du auch, durch vernuͤnftiges Nachdenken, manches, was Du itzt nicht weißt, selbst; und das wird Dir denn recht viel Freude machen, wenn Du selbst so was erdenken kannst. Phil. Wirds wohl noch lange, ehe ich so verstaͤndig werde? »Wenn Du uͤber alles, was Du hoͤrst, siehest und liesest, fleißig nachdenkst, so kannst Du es bald werden.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0103_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0103_1783/123
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 3. Berlin, 1783, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0103_1783/123>, abgerufen am 23.11.2024.