Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 3. Berlin, 1783.
Jn einem solchen bejammernswürdigen Zustande war sie nun bereits 25 Jahr alt geworden, als sie mir hier, in einem gewissen Hause christlicher Menschenfreunde, wohin dieselbe nebst ihrer Baase öfters mit Gartengewächse gekommen, zu meiner Untersuchung, ob ihr nicht noch wohl einige Kenntniß der Religion beizubringen, und zugleich meiner Fürsorge, wer dazu wohl zu gebrauchen sei, gütigst anempfohlen wurde. Man communicirte mir hiebei des Herrn Superintendenten Lasius Unterricht der taub- und stummen Fräulein von Meding. Jch machte hierauf mit unserer Tauben und Stummen eine Probe. Sie hatte wirklich von der Religion nicht das geringste Erkenntniß. Aber ich bemerkte bei ihr ein recht sanftes, freundliches, lehrbegieriges, folgsames Wesen, was zu lernen, und anzunehmen. Nun gedachte ich darauf, wem ich hier wohl mit am besten, zur beständigen Aufsicht und zur täglichen Unterweisung, sie anvertrauen könnte. Nach einigen Tagen redete ich desfalls mit dem hiesigen Schulhalter, den ich als einen treuen, fleißigen Schulmeister schon lange gekannt
Jn einem solchen bejammernswuͤrdigen Zustande war sie nun bereits 25 Jahr alt geworden, als sie mir hier, in einem gewissen Hause christlicher Menschenfreunde, wohin dieselbe nebst ihrer Baase oͤfters mit Gartengewaͤchse gekommen, zu meiner Untersuchung, ob ihr nicht noch wohl einige Kenntniß der Religion beizubringen, und zugleich meiner Fuͤrsorge, wer dazu wohl zu gebrauchen sei, guͤtigst anempfohlen wurde. Man communicirte mir hiebei des Herrn Superintendenten Lasius Unterricht der taub- und stummen Fraͤulein von Meding. Jch machte hierauf mit unserer Tauben und Stummen eine Probe. Sie hatte wirklich von der Religion nicht das geringste Erkenntniß. Aber ich bemerkte bei ihr ein recht sanftes, freundliches, lehrbegieriges, folgsames Wesen, was zu lernen, und anzunehmen. Nun gedachte ich darauf, wem ich hier wohl mit am besten, zur bestaͤndigen Aufsicht und zur taͤglichen Unterweisung, sie anvertrauen koͤnnte. Nach einigen Tagen redete ich desfalls mit dem hiesigen Schulhalter, den ich als einen treuen, fleißigen Schulmeister schon lange gekannt <TEI> <text> <body> <div> <div> <p><pb facs="#f0088" n="84"/><lb/> Großmutter hat anfangs noch einige Bemuͤhungen angewandt, um ihr Großkind noch ein mehreres lehren zu lassen. Allein alle Frucht, die sie davon hatte, war, daß sie in irrdischen Geschaͤften, Naͤhen, Stricken, auch Verkaufung der Gartengewaͤchse immer geschickter wurde. Von der Religion aber wußte sie nichts. </p> <p>Jn einem solchen bejammernswuͤrdigen Zustande war sie nun bereits 25 Jahr alt geworden, als sie mir hier, in einem gewissen Hause christlicher Menschenfreunde, wohin dieselbe nebst ihrer Baase oͤfters mit Gartengewaͤchse gekommen, zu meiner Untersuchung, ob ihr nicht noch wohl einige Kenntniß der Religion beizubringen, und zugleich meiner Fuͤrsorge, wer dazu wohl zu gebrauchen sei, guͤtigst anempfohlen wurde. Man communicirte mir hiebei des Herrn Superintendenten Lasius Unterricht der taub- und stummen Fraͤulein von Meding. </p> <p>Jch machte hierauf mit unserer Tauben und Stummen eine Probe. Sie hatte wirklich von der Religion nicht das geringste Erkenntniß. Aber ich bemerkte bei ihr ein recht sanftes, freundliches, lehrbegieriges, folgsames Wesen, was zu lernen, und anzunehmen. Nun gedachte ich darauf, wem ich hier wohl mit am besten, zur bestaͤndigen Aufsicht und zur taͤglichen Unterweisung, sie anvertrauen koͤnnte. Nach einigen Tagen redete ich desfalls mit dem hiesigen Schulhalter, den ich als einen treuen, fleißigen Schulmeister schon lange gekannt<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [84/0088]
Großmutter hat anfangs noch einige Bemuͤhungen angewandt, um ihr Großkind noch ein mehreres lehren zu lassen. Allein alle Frucht, die sie davon hatte, war, daß sie in irrdischen Geschaͤften, Naͤhen, Stricken, auch Verkaufung der Gartengewaͤchse immer geschickter wurde. Von der Religion aber wußte sie nichts.
Jn einem solchen bejammernswuͤrdigen Zustande war sie nun bereits 25 Jahr alt geworden, als sie mir hier, in einem gewissen Hause christlicher Menschenfreunde, wohin dieselbe nebst ihrer Baase oͤfters mit Gartengewaͤchse gekommen, zu meiner Untersuchung, ob ihr nicht noch wohl einige Kenntniß der Religion beizubringen, und zugleich meiner Fuͤrsorge, wer dazu wohl zu gebrauchen sei, guͤtigst anempfohlen wurde. Man communicirte mir hiebei des Herrn Superintendenten Lasius Unterricht der taub- und stummen Fraͤulein von Meding.
Jch machte hierauf mit unserer Tauben und Stummen eine Probe. Sie hatte wirklich von der Religion nicht das geringste Erkenntniß. Aber ich bemerkte bei ihr ein recht sanftes, freundliches, lehrbegieriges, folgsames Wesen, was zu lernen, und anzunehmen. Nun gedachte ich darauf, wem ich hier wohl mit am besten, zur bestaͤndigen Aufsicht und zur taͤglichen Unterweisung, sie anvertrauen koͤnnte. Nach einigen Tagen redete ich desfalls mit dem hiesigen Schulhalter, den ich als einen treuen, fleißigen Schulmeister schon lange gekannt
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 3. Berlin, 1783, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0103_1783/88>, abgerufen am 16.02.2025. |