Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp: Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 1. Berlin, 1783.

Bild:
<< vorherige Seite

Krankheiten der Seele zu seyn. Jm gesunden Zu-
stande der Seele muß es immer einige gewissermaßen
fixirte Jdeen geben, die zwar eine Zeitlang, durch
den Strom der neuen Vorstellungen, aus ihrer
Lage gebracht werden können, aber doch allemal in
dieselbe wieder zurückspringen; es muß vollkommen
fixirte Jdeen geben, die durch nichts erschüttert
werden können. Bei dem Mangel des gehörigen
Zusammenhangs aber springen die ersten nicht wie-
der in ihre Lage zurück, und die andern halten nicht
stand. Wodurch Leichtsinn, Wankelmuth, und
die daraus entspringenden Laster entstehn.

Eben so nachtheilig scheinet aber auch ein zu
fester und unerschütterlicher Zusammenhang zwi-
schen den Jdeen zu seyn, woraus Starrsinn und
Härte entsteht. Die Seele stößt eine Menge von
den hinzuströmenden Jdeen zurück, und kann aus
ihrem Zufluß keine wolthätige Nahrung ziehen.

6) Die Krankheiten der Seele können viel-
leicht, eben so wie die körperlichen, von den Eltern
auf die Kinder fortgepflanzt, oder in ganzen Fami-
lien erblich seyn. Wie dieses einige von den vor-
hergehenden Faktis zu beweisen scheinen.

Sie können bei einem Volke oder in einem
Lande vorzüglich herrschen.


Sie

Krankheiten der Seele zu seyn. Jm gesunden Zu-
stande der Seele muß es immer einige gewissermaßen
fixirte Jdeen geben, die zwar eine Zeitlang, durch
den Strom der neuen Vorstellungen, aus ihrer
Lage gebracht werden koͤnnen, aber doch allemal in
dieselbe wieder zuruͤckspringen; es muß vollkommen
fixirte Jdeen geben, die durch nichts erschuͤttert
werden koͤnnen. Bei dem Mangel des gehoͤrigen
Zusammenhangs aber springen die ersten nicht wie-
der in ihre Lage zuruͤck, und die andern halten nicht
stand. Wodurch Leichtsinn, Wankelmuth, und
die daraus entspringenden Laster entstehn.

Eben so nachtheilig scheinet aber auch ein zu
fester und unerschuͤtterlicher Zusammenhang zwi-
schen den Jdeen zu seyn, woraus Starrsinn und
Haͤrte entsteht. Die Seele stoͤßt eine Menge von
den hinzustroͤmenden Jdeen zuruͤck, und kann aus
ihrem Zufluß keine wolthaͤtige Nahrung ziehen.

6) Die Krankheiten der Seele koͤnnen viel-
leicht, eben so wie die koͤrperlichen, von den Eltern
auf die Kinder fortgepflanzt, oder in ganzen Fami-
lien erblich seyn. Wie dieses einige von den vor-
hergehenden Faktis zu beweisen scheinen.

Sie koͤnnen bei einem Volke oder in einem
Lande vorzuͤglich herrschen.


Sie
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0040" n="36"/>
Krankheiten der Seele zu seyn. Jm gesunden
                   Zu-<lb/>
stande der Seele muß es immer einige gewissermaßen<lb/>
fixirte Jdeen
                   geben, die zwar eine Zeitlang, durch<lb/>
den Strom der neuen Vorstellungen, aus
                   ihrer<lb/>
Lage gebracht werden ko&#x0364;nnen, aber doch allemal in<lb/>
dieselbe
                   wieder zuru&#x0364;ckspringen; es muß vollkommen<lb/>
fixirte Jdeen geben, die
                   durch nichts erschu&#x0364;ttert<lb/>
werden ko&#x0364;nnen. Bei dem Mangel des
                   geho&#x0364;rigen<lb/>
Zusammenhangs aber springen die ersten nicht wie-<lb/>
der in
                   ihre Lage zuru&#x0364;ck, und die andern halten nicht<lb/>
stand. Wodurch
                   Leichtsinn, Wankelmuth, und<lb/>
die daraus entspringenden Laster entstehn.</p><lb/>
          <p>Eben so nachtheilig scheinet aber auch ein zu<lb/>
fester und
                   unerschu&#x0364;tterlicher Zusammenhang zwi-<lb/>
schen den Jdeen zu seyn, woraus
                   Starrsinn und<lb/>
Ha&#x0364;rte entsteht. Die Seele sto&#x0364;ßt eine Menge
                   von<lb/>
den hinzustro&#x0364;menden Jdeen zuru&#x0364;ck, und kann aus<lb/>
ihrem
                   Zufluß keine woltha&#x0364;tige Nahrung ziehen.</p><lb/>
          <p>6) Die Krankheiten der Seele ko&#x0364;nnen viel-<lb/>
leicht, eben so wie die
                   ko&#x0364;rperlichen, von den Eltern<lb/>
auf die Kinder fortgepflanzt, oder in
                   ganzen Fami-<lb/>
lien erblich seyn. Wie dieses einige von den vor-<lb/>
hergehenden
                   Faktis zu beweisen scheinen.</p><lb/>
          <p>Sie ko&#x0364;nnen bei einem Volke oder in einem<lb/>
Lande vorzu&#x0364;glich
                   herrschen.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Sie</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[36/0040] Krankheiten der Seele zu seyn. Jm gesunden Zu- stande der Seele muß es immer einige gewissermaßen fixirte Jdeen geben, die zwar eine Zeitlang, durch den Strom der neuen Vorstellungen, aus ihrer Lage gebracht werden koͤnnen, aber doch allemal in dieselbe wieder zuruͤckspringen; es muß vollkommen fixirte Jdeen geben, die durch nichts erschuͤttert werden koͤnnen. Bei dem Mangel des gehoͤrigen Zusammenhangs aber springen die ersten nicht wie- der in ihre Lage zuruͤck, und die andern halten nicht stand. Wodurch Leichtsinn, Wankelmuth, und die daraus entspringenden Laster entstehn. Eben so nachtheilig scheinet aber auch ein zu fester und unerschuͤtterlicher Zusammenhang zwi- schen den Jdeen zu seyn, woraus Starrsinn und Haͤrte entsteht. Die Seele stoͤßt eine Menge von den hinzustroͤmenden Jdeen zuruͤck, und kann aus ihrem Zufluß keine wolthaͤtige Nahrung ziehen. 6) Die Krankheiten der Seele koͤnnen viel- leicht, eben so wie die koͤrperlichen, von den Eltern auf die Kinder fortgepflanzt, oder in ganzen Fami- lien erblich seyn. Wie dieses einige von den vor- hergehenden Faktis zu beweisen scheinen. Sie koͤnnen bei einem Volke oder in einem Lande vorzuͤglich herrschen. Sie

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Gloning, Marc Kuse, Justus-Liebig-Universität: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2013-06-06T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jurgita Baranauskaite, Justus-Liebig-Universität: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2013-06-06T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-06-06T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01_1783/40
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 1. Berlin, 1783, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01_1783/40>, abgerufen am 21.11.2024.