Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp: Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 1. Berlin, 1783.

Bild:
<< vorherige Seite

Buch, und einen versiegelten Brief, den ich ihm
vorzeigte; da ich ihm aber unmittelbar darauf eine
Feder wieß, schüttelte er aufs neue mit dem Kopfe,
und schwieg still.

Jn den ersten vierzehn Tagen, da ich ihn
kaum alle Tage eine Stunde vornehmen konnte,
lernte er schon Silben aus Buchstaben zusammen-
setzen, und sie vernehmlich aussprechen; und nach
vier Wochen konnte er schon verschiedne zweisilbige
Wörter, als Blume, Papier, u. s. w., ob-
gleich mit einiger Anstrengung, hervorbringen, wie
auch mehrere Personen, die ihn bei mir gesehen ha-
ben, wissen.

Er verstand die kleinsten Merkzeichen, wo-
durch man ihm eine Sache deutlich zu machen such-
te. So konnte ich z. B. die Figur des k, so wie
es geschrieben aussiehet, darzu nutzen, um ihn da-
durch zu erinnern, daß er die Zunge an den Gau-
men zurück ziehen müsse, weil diese Figur zufälliger
Weise etwas Ähnliches darstellt.

Er machte nun starke Progressen, bis ich zu
Pfingsten in diesem Jahre eine Reise that, von
welcher ich erst vor Kurzem zurückgekehrt bin, und
ihn bis jetzt, vieler Hindernisse wegen, noch nicht
habe wieder vornehmen können. Freilich hat er
während der Zeit das meiste wieder verlernet; ich

werde

Buch, und einen versiegelten Brief, den ich ihm
vorzeigte; da ich ihm aber unmittelbar darauf eine
Feder wieß, schuͤttelte er aufs neue mit dem Kopfe,
und schwieg still.

Jn den ersten vierzehn Tagen, da ich ihn
kaum alle Tage eine Stunde vornehmen konnte,
lernte er schon Silben aus Buchstaben zusammen-
setzen, und sie vernehmlich aussprechen; und nach
vier Wochen konnte er schon verschiedne zweisilbige
Woͤrter, als Blume, Papier, u. s. w., ob-
gleich mit einiger Anstrengung, hervorbringen, wie
auch mehrere Personen, die ihn bei mir gesehen ha-
ben, wissen.

Er verstand die kleinsten Merkzeichen, wo-
durch man ihm eine Sache deutlich zu machen such-
te. So konnte ich z. B. die Figur des k, so wie
es geschrieben aussiehet, darzu nutzen, um ihn da-
durch zu erinnern, daß er die Zunge an den Gau-
men zuruͤck ziehen muͤsse, weil diese Figur zufaͤlliger
Weise etwas Aͤhnliches darstellt.

Er machte nun starke Progressen, bis ich zu
Pfingsten in diesem Jahre eine Reise that, von
welcher ich erst vor Kurzem zuruͤckgekehrt bin, und
ihn bis jetzt, vieler Hindernisse wegen, noch nicht
habe wieder vornehmen koͤnnen. Freilich hat er
waͤhrend der Zeit das meiste wieder verlernet; ich

werde
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0046" n="42"/>
Buch, und einen versiegelten Brief, den ich
                   ihm<lb/>
vorzeigte; da ich ihm aber unmittelbar darauf eine<lb/>
Feder wieß,
                   schu&#x0364;ttelte er aufs neue mit dem Kopfe,<lb/>
und schwieg still.</p><lb/>
          <p>Jn den ersten vierzehn Tagen, da ich ihn<lb/>
kaum alle Tage eine Stunde vornehmen
                   konnte,<lb/>
lernte er schon Silben aus Buchstaben zusammen-<lb/>
setzen, und sie
                   vernehmlich aussprechen; und nach<lb/>
vier Wochen konnte er schon verschiedne
                   zweisilbige<lb/>
Wo&#x0364;rter, als <hi rendition="#b">Blume, Papier,</hi> u. s. w.,
                   ob-<lb/>
gleich mit einiger Anstrengung, hervorbringen, wie<lb/>
auch mehrere
                   Personen, die ihn bei mir gesehen ha-<lb/>
ben, wissen.</p><lb/>
          <p>Er verstand die kleinsten Merkzeichen, wo-<lb/>
durch man ihm eine Sache deutlich zu
                   machen such-<lb/>
te. So konnte ich z. B. die Figur des <hi rendition="#b">k</hi>,
                   so wie<lb/>
es geschrieben aussiehet, darzu nutzen, um ihn da-<lb/>
durch zu
                   erinnern, daß er die Zunge an den Gau-<lb/>
men zuru&#x0364;ck ziehen
                   mu&#x0364;sse, weil diese Figur zufa&#x0364;lliger<lb/>
Weise etwas
                   A&#x0364;hnliches darstellt.</p><lb/>
          <p>Er machte nun starke Progressen, bis ich zu<lb/>
Pfingsten in diesem Jahre eine Reise
                   that, von<lb/>
welcher ich erst vor Kurzem zuru&#x0364;ckgekehrt bin, und<lb/>
ihn
                   bis jetzt, vieler Hindernisse wegen, noch nicht<lb/>
habe wieder vornehmen
                   ko&#x0364;nnen. Freilich hat er<lb/>
wa&#x0364;hrend der Zeit das meiste wieder
                   verlernet; ich<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">werde</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[42/0046] Buch, und einen versiegelten Brief, den ich ihm vorzeigte; da ich ihm aber unmittelbar darauf eine Feder wieß, schuͤttelte er aufs neue mit dem Kopfe, und schwieg still. Jn den ersten vierzehn Tagen, da ich ihn kaum alle Tage eine Stunde vornehmen konnte, lernte er schon Silben aus Buchstaben zusammen- setzen, und sie vernehmlich aussprechen; und nach vier Wochen konnte er schon verschiedne zweisilbige Woͤrter, als Blume, Papier, u. s. w., ob- gleich mit einiger Anstrengung, hervorbringen, wie auch mehrere Personen, die ihn bei mir gesehen ha- ben, wissen. Er verstand die kleinsten Merkzeichen, wo- durch man ihm eine Sache deutlich zu machen such- te. So konnte ich z. B. die Figur des k, so wie es geschrieben aussiehet, darzu nutzen, um ihn da- durch zu erinnern, daß er die Zunge an den Gau- men zuruͤck ziehen muͤsse, weil diese Figur zufaͤlliger Weise etwas Aͤhnliches darstellt. Er machte nun starke Progressen, bis ich zu Pfingsten in diesem Jahre eine Reise that, von welcher ich erst vor Kurzem zuruͤckgekehrt bin, und ihn bis jetzt, vieler Hindernisse wegen, noch nicht habe wieder vornehmen koͤnnen. Freilich hat er waͤhrend der Zeit das meiste wieder verlernet; ich werde

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Gloning, Marc Kuse, Justus-Liebig-Universität: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2013-06-06T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jurgita Baranauskaite, Justus-Liebig-Universität: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2013-06-06T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-06-06T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01_1783/46
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 1. Berlin, 1783, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01_1783/46>, abgerufen am 29.04.2024.