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Moritz, Karl Philipp: Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 1. Berlin, 1783.

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Jch weiß mich gar nicht zu erinnern, daß ir-
gend ein Umstand meine Seele damals besonders
beschäftigte, vielmehr waren wir an dem Tage spa-
tzieren geführt worden, wo wir es doch nicht an
Zerstreuungen fehlen ließen. *)

Frölich.




V. Das-
*) Jch erinnre mich hiebei eines ähnlichen Falles, da
ich als ein Knabe, von ohngefähr zwölf Jahren,
mich einige Tage lang fest überredete, daß eine junge
Kaufmannsfrau in unsrer Nachbarschaft todt sey, bis
ich sie einmal vor der Thüre stehn sahe, und über
ihren Anblick sehr erschrack.
Nachdem ich aber etwas nachdachte, fiel es mir
plötzlich ein, daß mir vor einigen Tagen von dem
Tode dieser Frau geträumt hatte, so daß ich sie in
einem Sterbekittel im Sarge liegen sahe.
Die Jdeen vom Traume hatten sich nicht gehö-
rig verdunkelt, und sich daher mit den Jdeen von
der Wirklichkeit vermischt. Jm obigen Falle kann
gleicherweise ein solcher Traum vorhergegangen seyn,
dessen sich aber die Seele nicht wieder erinnern, und
folglich auch nicht wissen konnte, woher sie zu einer
ihr ganz fremdscheinenden Jdee gekommen war.
Dauert ein solcher Zustand lange und anhaltend
fort, so kann er in Wahnwitz ausarten. Und es
lassen sich aus dem Mangel einer hinlänglichen Ver-
dunkelung der Traumideen gegen die Wahr-
heitsideen
, die obige Schönfeldsche und Gra-
gertsche
Geschichte vielleicht am besten erklären.
M.
D4

Jch weiß mich gar nicht zu erinnern, daß ir-
gend ein Umstand meine Seele damals besonders
beschaͤftigte, vielmehr waren wir an dem Tage spa-
tzieren gefuͤhrt worden, wo wir es doch nicht an
Zerstreuungen fehlen ließen. *)

Froͤlich.




V. Das-
*) Jch erinnre mich hiebei eines aͤhnlichen Falles, da
ich als ein Knabe, von ohngefaͤhr zwoͤlf Jahren,
mich einige Tage lang fest uͤberredete, daß eine junge
Kaufmannsfrau in unsrer Nachbarschaft todt sey, bis
ich sie einmal vor der Thuͤre stehn sahe, und uͤber
ihren Anblick sehr erschrack.
Nachdem ich aber etwas nachdachte, fiel es mir
ploͤtzlich ein, daß mir vor einigen Tagen von dem
Tode dieser Frau getraͤumt hatte, so daß ich sie in
einem Sterbekittel im Sarge liegen sahe.
Die Jdeen vom Traume hatten sich nicht gehoͤ-
rig verdunkelt, und sich daher mit den Jdeen von
der Wirklichkeit vermischt. Jm obigen Falle kann
gleicherweise ein solcher Traum vorhergegangen seyn,
dessen sich aber die Seele nicht wieder erinnern, und
folglich auch nicht wissen konnte, woher sie zu einer
ihr ganz fremdscheinenden Jdee gekommen war.
Dauert ein solcher Zustand lange und anhaltend
fort, so kann er in Wahnwitz ausarten. Und es
lassen sich aus dem Mangel einer hinlaͤnglichen Ver-
dunkelung der Traumideen gegen die Wahr-
heitsideen
, die obige Schoͤnfeldsche und Gra-
gertsche
Geschichte vielleicht am besten erklaͤren.
M.
D4
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[55/0059] Jch weiß mich gar nicht zu erinnern, daß ir- gend ein Umstand meine Seele damals besonders beschaͤftigte, vielmehr waren wir an dem Tage spa- tzieren gefuͤhrt worden, wo wir es doch nicht an Zerstreuungen fehlen ließen. *) Froͤlich. V. Das- *) Jch erinnre mich hiebei eines aͤhnlichen Falles, da ich als ein Knabe, von ohngefaͤhr zwoͤlf Jahren, mich einige Tage lang fest uͤberredete, daß eine junge Kaufmannsfrau in unsrer Nachbarschaft todt sey, bis ich sie einmal vor der Thuͤre stehn sahe, und uͤber ihren Anblick sehr erschrack. Nachdem ich aber etwas nachdachte, fiel es mir ploͤtzlich ein, daß mir vor einigen Tagen von dem Tode dieser Frau getraͤumt hatte, so daß ich sie in einem Sterbekittel im Sarge liegen sahe. Die Jdeen vom Traume hatten sich nicht gehoͤ- rig verdunkelt, und sich daher mit den Jdeen von der Wirklichkeit vermischt. Jm obigen Falle kann gleicherweise ein solcher Traum vorhergegangen seyn, dessen sich aber die Seele nicht wieder erinnern, und folglich auch nicht wissen konnte, woher sie zu einer ihr ganz fremdscheinenden Jdee gekommen war. Dauert ein solcher Zustand lange und anhaltend fort, so kann er in Wahnwitz ausarten. Und es lassen sich aus dem Mangel einer hinlaͤnglichen Ver- dunkelung der Traumideen gegen die Wahr- heitsideen, die obige Schoͤnfeldsche und Gra- gertsche Geschichte vielleicht am besten erklaͤren. M. D4

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 1. Berlin, 1783, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01_1783/59>, abgerufen am 27.11.2024.