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Moritz, Karl Philipp: Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 1. Berlin, 1783.

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für nichts anders als einen Traum im gewöhnli-
chen Verstande gehalten haben: diese aber mach-
ten mich aufmerksam, und reitzten meine Neugier-
de so sehr, daß ich kaum den Mittag erwarten
konnte.

Endlich schlug es Eilf, aber noch war kein
Anschein zur Erfüllung meines Traumes. Es
schlug ein Viertel, es schlug halb Zwölf, und auch
noch jetzt war keine Wahrscheinlichkeit dazu vorhan-
den. Schon hatte ich alle Hofnung aufgegeben,
als unvermuthet einer von den Arbeitsleuten zu mir
kam, und mir sagte, ich sollte sogleich zu dem
Herrn Hofapotheker heraufkommen.

Jch ging voller Erwartung herauf, und hör-
te von ihm mit der größten Verwunderung, daß
ich sogleich zu dem Auktionskommissarius Herrn
Mylius jenseits des Schlosses hingehen und ihn
fragen sollte, ob er die ihm kommittirten Bücher
in der Auktion erstanden habe? zugleich sagte er
mir aber auch dabei, ich sollte ja bald wiederkom-
men, weil er auf die Antwort warte.

Wer war wohl geschwinder als ich? Jch ging
eiligst zu dem Auktionskommisarius Herrn Mylius,
bestellete meinen Auftrag, und nach erhaltener
Antwort lief ich, so geschwind ich konnte, nach dem
Generallotterieamte an der Jägerbrücke. Und vol-
ler Erstaunen sahe ich, daß Nummer 60 in dem

Augen-

fuͤr nichts anders als einen Traum im gewoͤhnli-
chen Verstande gehalten haben: diese aber mach-
ten mich aufmerksam, und reitzten meine Neugier-
de so sehr, daß ich kaum den Mittag erwarten
konnte.

Endlich schlug es Eilf, aber noch war kein
Anschein zur Erfuͤllung meines Traumes. Es
schlug ein Viertel, es schlug halb Zwoͤlf, und auch
noch jetzt war keine Wahrscheinlichkeit dazu vorhan-
den. Schon hatte ich alle Hofnung aufgegeben,
als unvermuthet einer von den Arbeitsleuten zu mir
kam, und mir sagte, ich sollte sogleich zu dem
Herrn Hofapotheker heraufkommen.

Jch ging voller Erwartung herauf, und hoͤr-
te von ihm mit der groͤßten Verwunderung, daß
ich sogleich zu dem Auktionskommissarius Herrn
Mylius jenseits des Schlosses hingehen und ihn
fragen sollte, ob er die ihm kommittirten Buͤcher
in der Auktion erstanden habe? zugleich sagte er
mir aber auch dabei, ich sollte ja bald wiederkom-
men, weil er auf die Antwort warte.

Wer war wohl geschwinder als ich? Jch ging
eiligst zu dem Auktionskommisarius Herrn Mylius,
bestellete meinen Auftrag, und nach erhaltener
Antwort lief ich, so geschwind ich konnte, nach dem
Generallotterieamte an der Jaͤgerbruͤcke. Und vol-
ler Erstaunen sahe ich, daß Nummer 60 in dem

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[74/0078] fuͤr nichts anders als einen Traum im gewoͤhnli- chen Verstande gehalten haben: diese aber mach- ten mich aufmerksam, und reitzten meine Neugier- de so sehr, daß ich kaum den Mittag erwarten konnte. Endlich schlug es Eilf, aber noch war kein Anschein zur Erfuͤllung meines Traumes. Es schlug ein Viertel, es schlug halb Zwoͤlf, und auch noch jetzt war keine Wahrscheinlichkeit dazu vorhan- den. Schon hatte ich alle Hofnung aufgegeben, als unvermuthet einer von den Arbeitsleuten zu mir kam, und mir sagte, ich sollte sogleich zu dem Herrn Hofapotheker heraufkommen. Jch ging voller Erwartung herauf, und hoͤr- te von ihm mit der groͤßten Verwunderung, daß ich sogleich zu dem Auktionskommissarius Herrn Mylius jenseits des Schlosses hingehen und ihn fragen sollte, ob er die ihm kommittirten Buͤcher in der Auktion erstanden habe? zugleich sagte er mir aber auch dabei, ich sollte ja bald wiederkom- men, weil er auf die Antwort warte. Wer war wohl geschwinder als ich? Jch ging eiligst zu dem Auktionskommisarius Herrn Mylius, bestellete meinen Auftrag, und nach erhaltener Antwort lief ich, so geschwind ich konnte, nach dem Generallotterieamte an der Jaͤgerbruͤcke. Und vol- ler Erstaunen sahe ich, daß Nummer 60 in dem Augen-

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 1. Berlin, 1783, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01_1783/78>, abgerufen am 25.11.2024.