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Moritz, Karl Philipp: Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 1. Berlin, 1783.

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vollkommen menschlich gebildet war, doch nicht den
mindesten Grad von Menschenverstand, auch nicht
einmal in so weit habe, daß er die nöthigen Nah-
rungsmittel für sich begehrte. Jch fragte weiter,
ob man nicht einige Ursach angeben oder vermu-
then könne, wie und woher es komme, daß dieser
Mensch in solcher Verfassung sey: und man sagte
mir, es könne keine andre Ursach angegeben wer-
den, als, daß desselben Mutter, als sie mit ihm
schwanger gegangen, einem in einer Clause gesesse-
nen unsinnigen Menschen gemeiniglich das Essen
habe zutragen müssen.

Jch habe mich auch noch vor kurzem bei dem
jetzigen Brauchitsdorfer Prediger erkundigt, ob
der beschriebene Mensch in solchen kläglichen Um-
ständen verstorben, oder ob er nicht vielleicht vor
seinem Ende noch einen Strahl von Menschenver-
stand bekommen; worauf ich die hier anliegende
Antwort erhalten. Jch bin u. s. w.

Ritter,

K. Hof- Kriminal- und Just.
Komiss. Rath.

Brauchitsdorf den 2ten May 1782.

Auf Jhr Begehren habe ich mich nach dem ehe-
mals hier lebenden Menschen erkundiget, der ohne
allen Gebrauch des Verstandes gewesen. Sowohl
der Organist Metzig, der Jhnen noch erinnerlich

seyn
A3

vollkommen menschlich gebildet war, doch nicht den
mindesten Grad von Menschenverstand, auch nicht
einmal in so weit habe, daß er die noͤthigen Nah-
rungsmittel fuͤr sich begehrte. Jch fragte weiter,
ob man nicht einige Ursach angeben oder vermu-
then koͤnne, wie und woher es komme, daß dieser
Mensch in solcher Verfassung sey: und man sagte
mir, es koͤnne keine andre Ursach angegeben wer-
den, als, daß desselben Mutter, als sie mit ihm
schwanger gegangen, einem in einer Clause gesesse-
nen unsinnigen Menschen gemeiniglich das Essen
habe zutragen muͤssen.

Jch habe mich auch noch vor kurzem bei dem
jetzigen Brauchitsdorfer Prediger erkundigt, ob
der beschriebene Mensch in solchen klaͤglichen Um-
staͤnden verstorben, oder ob er nicht vielleicht vor
seinem Ende noch einen Strahl von Menschenver-
stand bekommen; worauf ich die hier anliegende
Antwort erhalten. Jch bin u. s. w.

Ritter,

K. Hof- Kriminal- und Just.
Komiss. Rath.

Brauchitsdorf den 2ten May 1782.

Auf Jhr Begehren habe ich mich nach dem ehe-
mals hier lebenden Menschen erkundiget, der ohne
allen Gebrauch des Verstandes gewesen. Sowohl
der Organist Metzig, der Jhnen noch erinnerlich

seyn
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[5/0009] vollkommen menschlich gebildet war, doch nicht den mindesten Grad von Menschenverstand, auch nicht einmal in so weit habe, daß er die noͤthigen Nah- rungsmittel fuͤr sich begehrte. Jch fragte weiter, ob man nicht einige Ursach angeben oder vermu- then koͤnne, wie und woher es komme, daß dieser Mensch in solcher Verfassung sey: und man sagte mir, es koͤnne keine andre Ursach angegeben wer- den, als, daß desselben Mutter, als sie mit ihm schwanger gegangen, einem in einer Clause gesesse- nen unsinnigen Menschen gemeiniglich das Essen habe zutragen muͤssen. Jch habe mich auch noch vor kurzem bei dem jetzigen Brauchitsdorfer Prediger erkundigt, ob der beschriebene Mensch in solchen klaͤglichen Um- staͤnden verstorben, oder ob er nicht vielleicht vor seinem Ende noch einen Strahl von Menschenver- stand bekommen; worauf ich die hier anliegende Antwort erhalten. Jch bin u. s. w. Ritter, K. Hof- Kriminal- und Just. Komiss. Rath. Brauchitsdorf den 2ten May 1782. Auf Jhr Begehren habe ich mich nach dem ehe- mals hier lebenden Menschen erkundiget, der ohne allen Gebrauch des Verstandes gewesen. Sowohl der Organist Metzig, der Jhnen noch erinnerlich seyn A3

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 1. Berlin, 1783, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01_1783/9>, abgerufen am 29.04.2024.