Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 1. Berlin, 1784.
Auf der Universität in Halle ging Herr "Eine ganz besondre, fast unwiderstehliche Herzlichkeit im ganzen Betragen hatten diese zwei Menschen ganz in ihrer Gewalt; so natürlich leicht diese Aufführung Eingang finden muste, bei allen Personen meines Temperaments, wurde es doch als eine Folge der Gnade des lieben Heilandes angesehen, der mich nun noch mehr zu sich zöge. Jch war nie leichtsinnig oder frech gewesen, so bald ich von geistlichen Begriffen und Wahrheiten hörete; es war also sehr leicht, mir alle Aufmerksamkeit einzuflößen. Jch sprach zuweilen einige
Auf der Universitaͤt in Halle ging Herr »Eine ganz besondre, fast unwiderstehliche Herzlichkeit im ganzen Betragen hatten diese zwei Menschen ganz in ihrer Gewalt; so natuͤrlich leicht diese Auffuͤhrung Eingang finden muste, bei allen Personen meines Temperaments, wurde es doch als eine Folge der Gnade des lieben Heilandes angesehen, der mich nun noch mehr zu sich zoͤge. Jch war nie leichtsinnig oder frech gewesen, so bald ich von geistlichen Begriffen und Wahrheiten hoͤrete; es war also sehr leicht, mir alle Aufmerksamkeit einzufloͤßen. Jch sprach zuweilen einige <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <floatingText> <body> <div> <p><pb facs="#f0105" n="103"/><lb/> und bei dieser innerlichen Unruhe, war die selbst dictirte Strafe und Erniedrigung wirklich eine innerliche Beruhigung. Aber wie unordentlich war demnach die Gemuͤthsfassung! Jn <hi rendition="#b">Salfeld</hi> fehlte es an <hi rendition="#b">Psychologie</hi> und menschlicher Erfahrung; alles hieß Erbauung oder Wirkung der Gnade, was gar begreiflicher menschlicher Mangel und Fehler war. Jch rechnete es indeß zur Aufrichtigkeit und meiner Schuldigkeit recht traurig zu seyn; mehrere Monathe war ich in diesem Hange zur steten geistlichen Betruͤbniß. </p> </div> </body> </floatingText> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <p>Auf der Universitaͤt in Halle ging Herr <persName ref="#ref0152"><note type="editorial">Semler, Johann Salomo</note>Semler</persName> mit zweien Leute, Nahmens Woltersdorf und Krause, um, die ihn gern zu ihrer frommen Parthei ziehen wollten. Die Wirkung, welche dieß auf ihn that, und wie er sich dabei verhielt, erzaͤhlet er selbst, wie folget: </p> <p>»Eine ganz besondre, fast unwiderstehliche Herzlichkeit im ganzen Betragen hatten diese zwei Menschen ganz in ihrer Gewalt; so natuͤrlich leicht diese Auffuͤhrung Eingang finden muste, bei allen Personen meines Temperaments, wurde es doch als eine Folge der Gnade des lieben Heilandes angesehen, der mich nun noch mehr zu sich zoͤge. </p> <p>Jch war nie leichtsinnig oder frech gewesen, so bald ich von geistlichen Begriffen und Wahrheiten hoͤrete; es war also sehr leicht, mir alle Aufmerksamkeit einzufloͤßen. Jch sprach zuweilen einige<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [103/0105]
und bei dieser innerlichen Unruhe, war die selbst dictirte Strafe und Erniedrigung wirklich eine innerliche Beruhigung. Aber wie unordentlich war demnach die Gemuͤthsfassung! Jn Salfeld fehlte es an Psychologie und menschlicher Erfahrung; alles hieß Erbauung oder Wirkung der Gnade, was gar begreiflicher menschlicher Mangel und Fehler war. Jch rechnete es indeß zur Aufrichtigkeit und meiner Schuldigkeit recht traurig zu seyn; mehrere Monathe war ich in diesem Hange zur steten geistlichen Betruͤbniß.
Auf der Universitaͤt in Halle ging Herr Semler mit zweien Leute, Nahmens Woltersdorf und Krause, um, die ihn gern zu ihrer frommen Parthei ziehen wollten. Die Wirkung, welche dieß auf ihn that, und wie er sich dabei verhielt, erzaͤhlet er selbst, wie folget:
»Eine ganz besondre, fast unwiderstehliche Herzlichkeit im ganzen Betragen hatten diese zwei Menschen ganz in ihrer Gewalt; so natuͤrlich leicht diese Auffuͤhrung Eingang finden muste, bei allen Personen meines Temperaments, wurde es doch als eine Folge der Gnade des lieben Heilandes angesehen, der mich nun noch mehr zu sich zoͤge.
Jch war nie leichtsinnig oder frech gewesen, so bald ich von geistlichen Begriffen und Wahrheiten hoͤrete; es war also sehr leicht, mir alle Aufmerksamkeit einzufloͤßen. Jch sprach zuweilen einige
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 1. Berlin, 1784, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0201_1784/105>, abgerufen am 16.02.2025. |