Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 1. Berlin, 1784.

Bild:
<< vorherige Seite


schloß er damit, man sähe hieraus, wie unmöglich es ihm sey, Kaiserliche Dienste anzunehmen. Diese Bitte wiederholte er täglich mit dem besten Anstand, und allem Anschein einer gesunden Vernunft.

Ohnvermerkt schlich sich dieser Salomon heimlich auf den Boden des Lazareths, schnitt sich mit einem stumpfen Brodtmesser den linken Daum ab, verband die Hand mit einem Tuch, kam wieder in diejenige Krankenstube, worin er gehörte, und erzählte bei einer Pfeife Taback, daß ihm wohl wissend sey, wie in Kaiserlichen Diensten kein fehlerhafter Mensch angenommen werde, und wie er sich nun vor allen ferneren Nachstellungen gesichert habe. Diese von Salomon selbst gemachte Amputation wurde bald und gut geheilt, während der Cur verhielt sich Salomon immer ruhig und friedlich, hatte die Liebe aller seiner Cammeraden, er war ihr unterhaltender Gesellschafter, war in allen Stücken vernünftig, bis auf einen Punkt, daß er jedesmahl den Medicum erwartete, und ihn bat, ihn mit den Kaiserlichen Diensten zu verschonen.

Einige Wochen nach seiner Heilung, schlich er sich zum zweiten mal auf den Boden, und schnitt mit einem stumpfen Messer, mit welchem er kurz vorher Taback geschnitten hatte, sein Scrotum genau in der Mitte durch, und sodann den rechten Testicul nebst denen ihn umgebenden Häuten rein weg, und kam kaltblütig zurück in die Stube. Seine Cameraden bemerkten das überall hervordringende Blut,


schloß er damit, man saͤhe hieraus, wie unmoͤglich es ihm sey, Kaiserliche Dienste anzunehmen. Diese Bitte wiederholte er taͤglich mit dem besten Anstand, und allem Anschein einer gesunden Vernunft.

Ohnvermerkt schlich sich dieser Salomon heimlich auf den Boden des Lazareths, schnitt sich mit einem stumpfen Brodtmesser den linken Daum ab, verband die Hand mit einem Tuch, kam wieder in diejenige Krankenstube, worin er gehoͤrte, und erzaͤhlte bei einer Pfeife Taback, daß ihm wohl wissend sey, wie in Kaiserlichen Diensten kein fehlerhafter Mensch angenommen werde, und wie er sich nun vor allen ferneren Nachstellungen gesichert habe. Diese von Salomon selbst gemachte Amputation wurde bald und gut geheilt, waͤhrend der Cur verhielt sich Salomon immer ruhig und friedlich, hatte die Liebe aller seiner Cammeraden, er war ihr unterhaltender Gesellschafter, war in allen Stuͤcken vernuͤnftig, bis auf einen Punkt, daß er jedesmahl den Medicum erwartete, und ihn bat, ihn mit den Kaiserlichen Diensten zu verschonen.

Einige Wochen nach seiner Heilung, schlich er sich zum zweiten mal auf den Boden, und schnitt mit einem stumpfen Messer, mit welchem er kurz vorher Taback geschnitten hatte, sein Scrotum genau in der Mitte durch, und sodann den rechten Testicul nebst denen ihn umgebenden Haͤuten rein weg, und kam kaltbluͤtig zuruͤck in die Stube. Seine Cameraden bemerkten das uͤberall hervordringende Blut,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <p><pb facs="#f0064" n="62"/><lb/>
schloß er damit, man sa&#x0364;he hieraus, wie unmo&#x0364;glich es  ihm sey, Kaiserliche Dienste anzunehmen. Diese Bitte wiederholte er ta&#x0364;glich  mit dem besten Anstand, und allem Anschein einer gesunden Vernunft. </p>
            <p>Ohnvermerkt schlich sich dieser Salomon heimlich auf den Boden des Lazareths,  schnitt sich mit einem stumpfen Brodtmesser den linken Daum ab, verband die  Hand mit einem Tuch, kam wieder in diejenige Krankenstube, worin er geho&#x0364;rte,  und erza&#x0364;hlte bei einer Pfeife Taback, daß ihm wohl wissend sey, wie in  Kaiserlichen Diensten kein fehlerhafter Mensch angenommen werde, und wie er  sich nun vor allen ferneren Nachstellungen gesichert habe. Diese von Salomon  selbst gemachte Amputation wurde bald und gut geheilt, wa&#x0364;hrend der Cur  verhielt sich Salomon immer ruhig und friedlich, hatte die Liebe aller  seiner Cammeraden, er war ihr unterhaltender Gesellschafter, war in allen  Stu&#x0364;cken vernu&#x0364;nftig, bis auf einen Punkt, daß er jedesmahl den Medicum  erwartete, und ihn bat, ihn mit den Kaiserlichen Diensten zu verschonen. </p>
            <p>Einige Wochen nach seiner Heilung, schlich er sich zum zweiten mal auf den  Boden, und schnitt mit einem stumpfen Messer, mit welchem er kurz vorher  Taback geschnitten hatte, sein Scrotum genau in der Mitte durch, und sodann  den rechten Testicul nebst denen ihn umgebenden Ha&#x0364;uten rein weg, und kam  kaltblu&#x0364;tig zuru&#x0364;ck in die Stube. Seine Cameraden bemerkten das u&#x0364;berall  hervordringende Blut,<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[62/0064] schloß er damit, man saͤhe hieraus, wie unmoͤglich es ihm sey, Kaiserliche Dienste anzunehmen. Diese Bitte wiederholte er taͤglich mit dem besten Anstand, und allem Anschein einer gesunden Vernunft. Ohnvermerkt schlich sich dieser Salomon heimlich auf den Boden des Lazareths, schnitt sich mit einem stumpfen Brodtmesser den linken Daum ab, verband die Hand mit einem Tuch, kam wieder in diejenige Krankenstube, worin er gehoͤrte, und erzaͤhlte bei einer Pfeife Taback, daß ihm wohl wissend sey, wie in Kaiserlichen Diensten kein fehlerhafter Mensch angenommen werde, und wie er sich nun vor allen ferneren Nachstellungen gesichert habe. Diese von Salomon selbst gemachte Amputation wurde bald und gut geheilt, waͤhrend der Cur verhielt sich Salomon immer ruhig und friedlich, hatte die Liebe aller seiner Cammeraden, er war ihr unterhaltender Gesellschafter, war in allen Stuͤcken vernuͤnftig, bis auf einen Punkt, daß er jedesmahl den Medicum erwartete, und ihn bat, ihn mit den Kaiserlichen Diensten zu verschonen. Einige Wochen nach seiner Heilung, schlich er sich zum zweiten mal auf den Boden, und schnitt mit einem stumpfen Messer, mit welchem er kurz vorher Taback geschnitten hatte, sein Scrotum genau in der Mitte durch, und sodann den rechten Testicul nebst denen ihn umgebenden Haͤuten rein weg, und kam kaltbluͤtig zuruͤck in die Stube. Seine Cameraden bemerkten das uͤberall hervordringende Blut,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0201_1784
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0201_1784/64
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 1. Berlin, 1784, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0201_1784/64>, abgerufen am 19.05.2024.