Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 3. Berlin, 1784.
Es giebt wirklich noch in allen Sprachen, was man vornemlich bei den Sprachen der Wilden bemerkt haben will, Wörter, die nur durch die menschliche Stimme von dem Schalle hörbarer Gegenstände gleichsam abkopirt sind, noch so viel Verben, die in ihrer Aussprache eine überaus große Aehnlichkeit mit der tönenden Wirkung eines Körpers haben. Es ist begreiflich, daß durch die Länge der Zeit; durch neu entstandene Dialekte; durch Aufnahme fremder Sprachwörter; vornemlich durch den großen Zuwachs solcher Ausdrücke, die abstrakte Begriffe bezeichneten, und die man hernach oft an die Stelle der Naturtöne setzen mochte, sich die meisten dieser Urwörter verloren haben müssen. Jhre Wiederfindung würde uns, wenn sie möglich wäre, einen wichtigen Schlüssel zur Kenntniß des ersten Wörterbuchs der Menschen geben. Die Menschen bezeichneten also höchst wahrscheinlich zuerst Jndividuen von der Art, als wir angegeben haben. Das Wort für eine hörbare Wirkung eines sinnlichen Gegenstandes, wurde das Wort für den Gegenstand selbst. Die Sprache blieb dabei zwar immer noch sehr arm und übelklingend, aber ihr Wörtervorrath war damals
Es giebt wirklich noch in allen Sprachen, was man vornemlich bei den Sprachen der Wilden bemerkt haben will, Woͤrter, die nur durch die menschliche Stimme von dem Schalle hoͤrbarer Gegenstaͤnde gleichsam abkopirt sind, noch so viel Verben, die in ihrer Aussprache eine uͤberaus große Aehnlichkeit mit der toͤnenden Wirkung eines Koͤrpers haben. Es ist begreiflich, daß durch die Laͤnge der Zeit; durch neu entstandene Dialekte; durch Aufnahme fremder Sprachwoͤrter; vornemlich durch den großen Zuwachs solcher Ausdruͤcke, die abstrakte Begriffe bezeichneten, und die man hernach oft an die Stelle der Naturtoͤne setzen mochte, sich die meisten dieser Urwoͤrter verloren haben muͤssen. Jhre Wiederfindung wuͤrde uns, wenn sie moͤglich waͤre, einen wichtigen Schluͤssel zur Kenntniß des ersten Woͤrterbuchs der Menschen geben. Die Menschen bezeichneten also hoͤchst wahrscheinlich zuerst Jndividuen von der Art, als wir angegeben haben. Das Wort fuͤr eine hoͤrbare Wirkung eines sinnlichen Gegenstandes, wurde das Wort fuͤr den Gegenstand selbst. Die Sprache blieb dabei zwar immer noch sehr arm und uͤbelklingend, aber ihr Woͤrtervorrath war damals <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0098" n="98"/><lb/> schichtsschreiber, weil er vielleicht auf dieselbe Spekulation vom Ursprunge der Sprache fiel, und sie sehr wahrscheinlich fand, nicht deswegen die Sache als ein wuͤrkliches Faktum erzaͤhlt haben?) </p> <p>Es giebt wirklich noch in allen Sprachen, was man vornemlich bei den Sprachen der Wilden bemerkt haben will, <hi rendition="#b">Woͤrter,</hi> die nur durch die menschliche Stimme von dem Schalle hoͤrbarer Gegenstaͤnde gleichsam <hi rendition="#b">abkopirt</hi> sind, noch so viel <hi rendition="#b">Verben,</hi> die in ihrer Aussprache eine uͤberaus große Aehnlichkeit mit der <hi rendition="#b">toͤnenden Wirkung eines Koͤrpers</hi> haben. Es ist begreiflich, daß durch die <hi rendition="#b">Laͤnge</hi> der Zeit; durch <hi rendition="#b">neu entstandene Dialekte;</hi> durch <hi rendition="#b">Aufnahme fremder Sprachwoͤrter;</hi> vornemlich durch <hi rendition="#b">den großen Zuwachs</hi> solcher Ausdruͤcke, die <hi rendition="#b">abstrakte Begriffe</hi> bezeichneten, und die man hernach oft an die Stelle der Naturtoͤne setzen mochte, sich die meisten dieser Urwoͤrter verloren haben muͤssen. Jhre Wiederfindung wuͤrde uns, wenn sie moͤglich waͤre, einen wichtigen Schluͤssel zur <hi rendition="#b">Kenntniß</hi> des ersten Woͤrterbuchs der Menschen geben. </p> <p>Die Menschen bezeichneten also hoͤchst wahrscheinlich zuerst Jndividuen von der Art, als wir angegeben haben. Das Wort fuͤr eine <hi rendition="#b">hoͤrbare Wirkung</hi> eines sinnlichen Gegenstandes, wurde das Wort fuͤr <hi rendition="#b">den Gegenstand</hi> selbst. Die Sprache blieb dabei zwar immer noch sehr arm und uͤbelklingend, aber ihr Woͤrtervorrath war damals<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [98/0098]
schichtsschreiber, weil er vielleicht auf dieselbe Spekulation vom Ursprunge der Sprache fiel, und sie sehr wahrscheinlich fand, nicht deswegen die Sache als ein wuͤrkliches Faktum erzaͤhlt haben?)
Es giebt wirklich noch in allen Sprachen, was man vornemlich bei den Sprachen der Wilden bemerkt haben will, Woͤrter, die nur durch die menschliche Stimme von dem Schalle hoͤrbarer Gegenstaͤnde gleichsam abkopirt sind, noch so viel Verben, die in ihrer Aussprache eine uͤberaus große Aehnlichkeit mit der toͤnenden Wirkung eines Koͤrpers haben. Es ist begreiflich, daß durch die Laͤnge der Zeit; durch neu entstandene Dialekte; durch Aufnahme fremder Sprachwoͤrter; vornemlich durch den großen Zuwachs solcher Ausdruͤcke, die abstrakte Begriffe bezeichneten, und die man hernach oft an die Stelle der Naturtoͤne setzen mochte, sich die meisten dieser Urwoͤrter verloren haben muͤssen. Jhre Wiederfindung wuͤrde uns, wenn sie moͤglich waͤre, einen wichtigen Schluͤssel zur Kenntniß des ersten Woͤrterbuchs der Menschen geben.
Die Menschen bezeichneten also hoͤchst wahrscheinlich zuerst Jndividuen von der Art, als wir angegeben haben. Das Wort fuͤr eine hoͤrbare Wirkung eines sinnlichen Gegenstandes, wurde das Wort fuͤr den Gegenstand selbst. Die Sprache blieb dabei zwar immer noch sehr arm und uͤbelklingend, aber ihr Woͤrtervorrath war damals
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