Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 1. Berlin, 1785.Meine Frau beantwortete mir dießmal meine ungewöhnliche Uebereilungen mit nichts als einem tiefen Seufzer. Gott! sagte sie endlich, was wird noch aus dem heutigen Tag werden! Jch konnte indeß die Zeit nicht erwarten, sondern rief ihr schon einige dreissig Schritte entgegen: bringst Du mir Nachricht aus R..? Ja, antwortete sie mir, Sie möchten doch so gütig seyn, und noch heute dahin kommen. Es war ihr verboten, mir den ganzen Vorfall zu sagen, und ganz umständlich wuste sie ihn auch nicht. Jch fragte: was soll ich denn heute in R.. machen? sie antwortete mir: Sie sollen für den Hrn. Pr. ein Kind taufen. Und warum thut er das nicht selbst? fragte ich. Sie antwortete: er kann nicht. Freilich, sagte ich, kann er nicht, denn er ist todt. So, wissen Sie das schon? sagte sie, und ich solls Jhnen nicht sagen! -- Ja, sagte ich, ich weiß es -- und er ist in der Heide verunglückt, nicht wahr? Das kann ich nicht sagen, erwiederte sie, daß er aber todt sey, sagte der Bote, verbot mir aber ausdrücklich, es Jhnen zu sagen, sondern einen andern Vorwand zu machen, warum Sie hinkommen sollten. Jch stutzte bei dieser Nachricht, und meine Frau stand ganz betäubt. Jsts möglich, sagte sie, einen solchen Traum, der mir heute schon so viel Angst und Sorgen gemacht hat, schon erfüllet zu sehen! -- Wir träumen heute wohl alle -- und Meine Frau beantwortete mir dießmal meine ungewoͤhnliche Uebereilungen mit nichts als einem tiefen Seufzer. Gott! sagte sie endlich, was wird noch aus dem heutigen Tag werden! Jch konnte indeß die Zeit nicht erwarten, sondern rief ihr schon einige dreissig Schritte entgegen: bringst Du mir Nachricht aus R..? Ja, antwortete sie mir, Sie moͤchten doch so guͤtig seyn, und noch heute dahin kommen. Es war ihr verboten, mir den ganzen Vorfall zu sagen, und ganz umstaͤndlich wuste sie ihn auch nicht. Jch fragte: was soll ich denn heute in R.. machen? sie antwortete mir: Sie sollen fuͤr den Hrn. Pr. ein Kind taufen. Und warum thut er das nicht selbst? fragte ich. Sie antwortete: er kann nicht. Freilich, sagte ich, kann er nicht, denn er ist todt. So, wissen Sie das schon? sagte sie, und ich solls Jhnen nicht sagen! — Ja, sagte ich, ich weiß es — und er ist in der Heide verungluͤckt, nicht wahr? Das kann ich nicht sagen, erwiederte sie, daß er aber todt sey, sagte der Bote, verbot mir aber ausdruͤcklich, es Jhnen zu sagen, sondern einen andern Vorwand zu machen, warum Sie hinkommen sollten. Jch stutzte bei dieser Nachricht, und meine Frau stand ganz betaͤubt. Jsts moͤglich, sagte sie, einen solchen Traum, der mir heute schon so viel Angst und Sorgen gemacht hat, schon erfuͤllet zu sehen! — Wir traͤumen heute wohl alle — und <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0056" n="54"/><lb/> <p>Meine Frau beantwortete mir dießmal meine ungewoͤhnliche Uebereilungen mit nichts als einem tiefen Seufzer. Gott! sagte sie endlich, was wird noch aus dem heutigen Tag werden! Jch konnte indeß die Zeit nicht erwarten, sondern rief ihr schon einige dreissig Schritte entgegen: bringst Du mir Nachricht aus R..? Ja, antwortete sie mir, Sie moͤchten doch so guͤtig seyn, und noch heute dahin kommen. Es war ihr verboten, mir den ganzen Vorfall zu sagen, und ganz umstaͤndlich wuste sie ihn auch nicht. Jch fragte: was soll ich denn heute in R.. machen? sie antwortete mir: Sie sollen fuͤr den Hrn. Pr. ein Kind taufen.</p> <p>Und warum thut er das nicht selbst? fragte ich. Sie antwortete: er kann nicht. Freilich, sagte ich, kann er nicht, denn er ist todt. So, wissen Sie das schon? sagte sie, und ich solls Jhnen nicht sagen! —</p> <p>Ja, sagte ich, ich weiß es — und er ist in der Heide verungluͤckt, nicht wahr? Das kann ich nicht sagen, erwiederte sie, daß er aber todt sey, sagte der Bote, verbot mir aber ausdruͤcklich, es Jhnen zu sagen, sondern einen andern Vorwand zu machen, warum Sie hinkommen sollten.</p> <p>Jch stutzte bei dieser Nachricht, und meine Frau stand ganz betaͤubt. Jsts moͤglich, sagte sie, einen solchen Traum, der mir heute schon so viel Angst und Sorgen gemacht hat, schon erfuͤllet zu sehen! — Wir traͤumen heute wohl alle — und<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [54/0056]
Meine Frau beantwortete mir dießmal meine ungewoͤhnliche Uebereilungen mit nichts als einem tiefen Seufzer. Gott! sagte sie endlich, was wird noch aus dem heutigen Tag werden! Jch konnte indeß die Zeit nicht erwarten, sondern rief ihr schon einige dreissig Schritte entgegen: bringst Du mir Nachricht aus R..? Ja, antwortete sie mir, Sie moͤchten doch so guͤtig seyn, und noch heute dahin kommen. Es war ihr verboten, mir den ganzen Vorfall zu sagen, und ganz umstaͤndlich wuste sie ihn auch nicht. Jch fragte: was soll ich denn heute in R.. machen? sie antwortete mir: Sie sollen fuͤr den Hrn. Pr. ein Kind taufen.
Und warum thut er das nicht selbst? fragte ich. Sie antwortete: er kann nicht. Freilich, sagte ich, kann er nicht, denn er ist todt. So, wissen Sie das schon? sagte sie, und ich solls Jhnen nicht sagen! —
Ja, sagte ich, ich weiß es — und er ist in der Heide verungluͤckt, nicht wahr? Das kann ich nicht sagen, erwiederte sie, daß er aber todt sey, sagte der Bote, verbot mir aber ausdruͤcklich, es Jhnen zu sagen, sondern einen andern Vorwand zu machen, warum Sie hinkommen sollten.
Jch stutzte bei dieser Nachricht, und meine Frau stand ganz betaͤubt. Jsts moͤglich, sagte sie, einen solchen Traum, der mir heute schon so viel Angst und Sorgen gemacht hat, schon erfuͤllet zu sehen! — Wir traͤumen heute wohl alle — und
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien
(2015-06-09T11:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat
(2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2015-06-09T11:00:00Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |