Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 2. Berlin, 1785.
Meine Vermuthungen der Entstehungsursachen dieser Schaudererregenden Unordnungen in seiner Maschine gehen dahin, daß die Begierde, hervorzuragen -- denn von jeher war Ehrbegierde der Haupttrieb zum angestrengten Fleiß -- über seine Mitschüler, wo er meistentheils den Preis davon getragen hatte, obschon Naturfähigkeiten nicht die ergiebigsten waren, den Kopf zu sehr angegriffen und hauptsächlich mit zu vielerlei für sich, ohne weise Gradation, überladen hatte. Hiezu trat ein Sterbefall eines geschätzten Freundes, den er in der Krankheit besorgt hatte, auch einige für sein weiches Herz empfindsame häusliche Ereignisse, welches zusammengenommen Nerven und Fibern, die zeither überspannt worden waren, auf einmal herabgeschwächt hatte; wozu noch das zwanzigjährige Alter eines sonst vollen, gesunden Jünglings bei guter Kraft und Enthaltsamkeit, auch manches beigetragen haben mag. Fast bin ich überzeugt, nicht darüber im Jrrthum zu seyn; so wie ich zugleich in diesem traurigen Zeitpunkt noch gewisser geworden bin, wie vielen Einfluß der Mechanismus des Körpers auf die Seelenwirkungen habe, und daß es Schwachheit sey, gleich über Materialisterei zu schreien,
Meine Vermuthungen der Entstehungsursachen dieser Schaudererregenden Unordnungen in seiner Maschine gehen dahin, daß die Begierde, hervorzuragen — denn von jeher war Ehrbegierde der Haupttrieb zum angestrengten Fleiß — uͤber seine Mitschuͤler, wo er meistentheils den Preis davon getragen hatte, obschon Naturfaͤhigkeiten nicht die ergiebigsten waren, den Kopf zu sehr angegriffen und hauptsaͤchlich mit zu vielerlei fuͤr sich, ohne weise Gradation, uͤberladen hatte. Hiezu trat ein Sterbefall eines geschaͤtzten Freundes, den er in der Krankheit besorgt hatte, auch einige fuͤr sein weiches Herz empfindsame haͤusliche Ereignisse, welches zusammengenommen Nerven und Fibern, die zeither uͤberspannt worden waren, auf einmal herabgeschwaͤcht hatte; wozu noch das zwanzigjaͤhrige Alter eines sonst vollen, gesunden Juͤnglings bei guter Kraft und Enthaltsamkeit, auch manches beigetragen haben mag. Fast bin ich uͤberzeugt, nicht daruͤber im Jrrthum zu seyn; so wie ich zugleich in diesem traurigen Zeitpunkt noch gewisser geworden bin, wie vielen Einfluß der Mechanismus des Koͤrpers auf die Seelenwirkungen habe, und daß es Schwachheit sey, gleich uͤber Materialisterei zu schreien, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0057" n="57"/><lb/> mein guter Sohn werde wieder in seinem natuͤrlichen Zustand zuruͤckkehren. </p> <p>Meine Vermuthungen der Entstehungsursachen dieser Schaudererregenden Unordnungen in seiner Maschine gehen dahin, daß die Begierde, hervorzuragen — denn von jeher war Ehrbegierde der Haupttrieb zum angestrengten Fleiß — uͤber seine Mitschuͤler, wo er meistentheils den Preis davon getragen hatte, obschon Naturfaͤhigkeiten nicht die ergiebigsten waren, den Kopf zu sehr angegriffen und hauptsaͤchlich mit zu vielerlei fuͤr sich, ohne weise Gradation, uͤberladen hatte. Hiezu trat ein Sterbefall eines geschaͤtzten Freundes, den er in der Krankheit besorgt hatte, auch einige fuͤr sein weiches Herz empfindsame haͤusliche Ereignisse, welches zusammengenommen Nerven und Fibern, die zeither uͤberspannt worden waren, auf einmal herabgeschwaͤcht hatte; wozu noch das zwanzigjaͤhrige Alter eines sonst vollen, gesunden Juͤnglings bei guter Kraft und Enthaltsamkeit, auch manches beigetragen haben mag. </p> <p>Fast bin ich uͤberzeugt, nicht daruͤber im Jrrthum zu seyn; so wie ich zugleich in diesem traurigen Zeitpunkt noch gewisser geworden bin, wie vielen Einfluß der Mechanismus des Koͤrpers auf die Seelenwirkungen habe, und daß es Schwachheit sey, gleich uͤber Materialisterei zu schreien,<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [57/0057]
mein guter Sohn werde wieder in seinem natuͤrlichen Zustand zuruͤckkehren.
Meine Vermuthungen der Entstehungsursachen dieser Schaudererregenden Unordnungen in seiner Maschine gehen dahin, daß die Begierde, hervorzuragen — denn von jeher war Ehrbegierde der Haupttrieb zum angestrengten Fleiß — uͤber seine Mitschuͤler, wo er meistentheils den Preis davon getragen hatte, obschon Naturfaͤhigkeiten nicht die ergiebigsten waren, den Kopf zu sehr angegriffen und hauptsaͤchlich mit zu vielerlei fuͤr sich, ohne weise Gradation, uͤberladen hatte. Hiezu trat ein Sterbefall eines geschaͤtzten Freundes, den er in der Krankheit besorgt hatte, auch einige fuͤr sein weiches Herz empfindsame haͤusliche Ereignisse, welches zusammengenommen Nerven und Fibern, die zeither uͤberspannt worden waren, auf einmal herabgeschwaͤcht hatte; wozu noch das zwanzigjaͤhrige Alter eines sonst vollen, gesunden Juͤnglings bei guter Kraft und Enthaltsamkeit, auch manches beigetragen haben mag.
Fast bin ich uͤberzeugt, nicht daruͤber im Jrrthum zu seyn; so wie ich zugleich in diesem traurigen Zeitpunkt noch gewisser geworden bin, wie vielen Einfluß der Mechanismus des Koͤrpers auf die Seelenwirkungen habe, und daß es Schwachheit sey, gleich uͤber Materialisterei zu schreien,
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 2. Berlin, 1785, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0302_1785/57>, abgerufen am 15.08.2024. |