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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 2. Berlin, 1785.

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vollen Auftritten war ich in jenen Jahren, gewöhnlich des Delinquenten wegen, sehr ängstlich und bekümmert, sobald aber die Handlung geendigt war, empfand ich eine Art von Gleichgültigkeit und Verachtung des Todes.

Jst es nun mehr Stärke oder Schwäche der Seele, wenn sie oft zu raschen Entschließungen übergeht? Schwäche kann wenigstens eben sowohl eine Mutter grausamer als schändlicher Handlungen seyn. Jenes Selbstgeständniß beweißt, daß uns die geringfügigsten Umstände zu Handlungen von den wichtigsten Folgen verleiten können. Das frey und offen liegende spitzige Messer ängstigte mich eben so sehr, als es mich hinterher beruhigte, da ich es zusammengelegt und versteckt hatte. Durch diese Täuschung gewann meine Seele Zeit, jenen höllischen Todesengel zu besiegen, und ich schlief freudig ein.

Wer wünscht mir nicht Glück, daß ein so schrecklicher Gedanke seitdem nicht wieder in mir erwacht ist; so wie ich auch von dem innern heißen Drange, am unrechten Ort laut reden zu müssen, da ich mir öfters in der Kirche mit der Hand den Mund fest zuhalten mußte, seit einigen Jahren nichts mehr weiß.

Das Resultat ähnlicher Selbstgeständnisse und Erfahrungen wird am Ende unwidersprechlich dar-


vollen Auftritten war ich in jenen Jahren, gewoͤhnlich des Delinquenten wegen, sehr aͤngstlich und bekuͤmmert, sobald aber die Handlung geendigt war, empfand ich eine Art von Gleichguͤltigkeit und Verachtung des Todes.

Jst es nun mehr Staͤrke oder Schwaͤche der Seele, wenn sie oft zu raschen Entschließungen uͤbergeht? Schwaͤche kann wenigstens eben sowohl eine Mutter grausamer als schaͤndlicher Handlungen seyn. Jenes Selbstgestaͤndniß beweißt, daß uns die geringfuͤgigsten Umstaͤnde zu Handlungen von den wichtigsten Folgen verleiten koͤnnen. Das frey und offen liegende spitzige Messer aͤngstigte mich eben so sehr, als es mich hinterher beruhigte, da ich es zusammengelegt und versteckt hatte. Durch diese Taͤuschung gewann meine Seele Zeit, jenen hoͤllischen Todesengel zu besiegen, und ich schlief freudig ein.

Wer wuͤnscht mir nicht Gluͤck, daß ein so schrecklicher Gedanke seitdem nicht wieder in mir erwacht ist; so wie ich auch von dem innern heißen Drange, am unrechten Ort laut reden zu muͤssen, da ich mir oͤfters in der Kirche mit der Hand den Mund fest zuhalten mußte, seit einigen Jahren nichts mehr weiß.

Das Resultat aͤhnlicher Selbstgestaͤndnisse und Erfahrungen wird am Ende unwidersprechlich dar-

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[61/0061] vollen Auftritten war ich in jenen Jahren, gewoͤhnlich des Delinquenten wegen, sehr aͤngstlich und bekuͤmmert, sobald aber die Handlung geendigt war, empfand ich eine Art von Gleichguͤltigkeit und Verachtung des Todes. Jst es nun mehr Staͤrke oder Schwaͤche der Seele, wenn sie oft zu raschen Entschließungen uͤbergeht? Schwaͤche kann wenigstens eben sowohl eine Mutter grausamer als schaͤndlicher Handlungen seyn. Jenes Selbstgestaͤndniß beweißt, daß uns die geringfuͤgigsten Umstaͤnde zu Handlungen von den wichtigsten Folgen verleiten koͤnnen. Das frey und offen liegende spitzige Messer aͤngstigte mich eben so sehr, als es mich hinterher beruhigte, da ich es zusammengelegt und versteckt hatte. Durch diese Taͤuschung gewann meine Seele Zeit, jenen hoͤllischen Todesengel zu besiegen, und ich schlief freudig ein. Wer wuͤnscht mir nicht Gluͤck, daß ein so schrecklicher Gedanke seitdem nicht wieder in mir erwacht ist; so wie ich auch von dem innern heißen Drange, am unrechten Ort laut reden zu muͤssen, da ich mir oͤfters in der Kirche mit der Hand den Mund fest zuhalten mußte, seit einigen Jahren nichts mehr weiß. Das Resultat aͤhnlicher Selbstgestaͤndnisse und Erfahrungen wird am Ende unwidersprechlich dar-

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 2. Berlin, 1785, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0302_1785/61>, abgerufen am 23.11.2024.