Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 2. Berlin, 1785.
Woher also dieser Sturm -- woher diese unerhörte Mordlust in einer so jungen Seele? Rachbegierde war es nicht, denn er hatte mich nicht beleidiget, jener nicht selten nach überspannter Seelenanstrengung tobende Geist des Unmuths und der Mißlaune, wenn die Thätigkeit durch irgend ein entgegenstrebendes Hinderniß, wie hier vom Schlafe, gehemmt wird, konnte es in diesen Jahren wohl auch nicht, so wenig als eigentliche Bosheit oder Verzweifelung, seyn. Unzufriedenheit, daß er so sanft schlief und ich nicht schlafen konnte, war vielleicht eine entfernt wirkende Triebfeder, wer weiß, selbst die Dunkelheit der Nacht, die mich damals oft zu schwarzen ängstlichen Gedanken veranlaßte, konnte hier mit im Spiele seyn. Freilich war es mir auch eben so recht nicht gelegen, einen Beischläfer zu haben, aber überzeugt von der Nothwendigkeit und guten Absicht meiner Aeltern, hatte ich mich schon längst darein ergeben. Vielleicht, aber nur vielleicht, war es an einem Tage, wo ich einen Mörder vom Leben zum Tode hatte bringen sehen. Vor solchen schauder-
Woher also dieser Sturm — woher diese unerhoͤrte Mordlust in einer so jungen Seele? Rachbegierde war es nicht, denn er hatte mich nicht beleidiget, jener nicht selten nach uͤberspannter Seelenanstrengung tobende Geist des Unmuths und der Mißlaune, wenn die Thaͤtigkeit durch irgend ein entgegenstrebendes Hinderniß, wie hier vom Schlafe, gehemmt wird, konnte es in diesen Jahren wohl auch nicht, so wenig als eigentliche Bosheit oder Verzweifelung, seyn. Unzufriedenheit, daß er so sanft schlief und ich nicht schlafen konnte, war vielleicht eine entfernt wirkende Triebfeder, wer weiß, selbst die Dunkelheit der Nacht, die mich damals oft zu schwarzen aͤngstlichen Gedanken veranlaßte, konnte hier mit im Spiele seyn. Freilich war es mir auch eben so recht nicht gelegen, einen Beischlaͤfer zu haben, aber uͤberzeugt von der Nothwendigkeit und guten Absicht meiner Aeltern, hatte ich mich schon laͤngst darein ergeben. Vielleicht, aber nur vielleicht, war es an einem Tage, wo ich einen Moͤrder vom Leben zum Tode hatte bringen sehen. Vor solchen schauder- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0060" n="60"/><lb/> wußte. Dieß erschwert die Ergruͤndung der Ursachen dieses moͤrderischen Vorsatzes sehr, und die damals noch so wenig entwickelte Anlage des Kopfes und Herzens macht diesen in seiner Art einzigen Zustand des Gemuͤths noch unerklaͤrbarer. </p> <p>Woher also dieser Sturm — woher diese unerhoͤrte Mordlust in einer so jungen Seele? Rachbegierde war es nicht, denn er hatte mich nicht beleidiget, jener nicht selten nach uͤberspannter Seelenanstrengung tobende Geist des Unmuths und der Mißlaune, wenn die Thaͤtigkeit durch irgend ein entgegenstrebendes Hinderniß, wie hier vom Schlafe, gehemmt wird, konnte es in diesen Jahren wohl auch nicht, so wenig als eigentliche Bosheit oder Verzweifelung, seyn. <hi rendition="#b">Unzufriedenheit,</hi> daß er so sanft schlief und ich nicht schlafen konnte, war vielleicht eine entfernt wirkende Triebfeder, wer weiß, selbst die <hi rendition="#b">Dunkelheit der Nacht,</hi> die mich damals oft zu schwarzen aͤngstlichen Gedanken veranlaßte, konnte hier mit im Spiele seyn. Freilich war es mir auch eben so recht nicht gelegen, einen Beischlaͤfer zu haben, aber uͤberzeugt von der Nothwendigkeit und guten Absicht meiner Aeltern, hatte ich mich schon laͤngst darein ergeben. </p> <p>Vielleicht, aber nur vielleicht, war es an einem Tage, wo ich einen Moͤrder vom Leben zum Tode hatte bringen sehen. Vor solchen schauder-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [60/0060]
wußte. Dieß erschwert die Ergruͤndung der Ursachen dieses moͤrderischen Vorsatzes sehr, und die damals noch so wenig entwickelte Anlage des Kopfes und Herzens macht diesen in seiner Art einzigen Zustand des Gemuͤths noch unerklaͤrbarer.
Woher also dieser Sturm — woher diese unerhoͤrte Mordlust in einer so jungen Seele? Rachbegierde war es nicht, denn er hatte mich nicht beleidiget, jener nicht selten nach uͤberspannter Seelenanstrengung tobende Geist des Unmuths und der Mißlaune, wenn die Thaͤtigkeit durch irgend ein entgegenstrebendes Hinderniß, wie hier vom Schlafe, gehemmt wird, konnte es in diesen Jahren wohl auch nicht, so wenig als eigentliche Bosheit oder Verzweifelung, seyn. Unzufriedenheit, daß er so sanft schlief und ich nicht schlafen konnte, war vielleicht eine entfernt wirkende Triebfeder, wer weiß, selbst die Dunkelheit der Nacht, die mich damals oft zu schwarzen aͤngstlichen Gedanken veranlaßte, konnte hier mit im Spiele seyn. Freilich war es mir auch eben so recht nicht gelegen, einen Beischlaͤfer zu haben, aber uͤberzeugt von der Nothwendigkeit und guten Absicht meiner Aeltern, hatte ich mich schon laͤngst darein ergeben.
Vielleicht, aber nur vielleicht, war es an einem Tage, wo ich einen Moͤrder vom Leben zum Tode hatte bringen sehen. Vor solchen schauder-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien
(2015-06-09T11:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat
(2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2015-06-09T11:00:00Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |