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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 2. Berlin, 1785.

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jede zukünftige Sache ihm Vergnügen oder Schmerz verursachen würde; und dieß setzte ihn in den Stand, sein wahres und falsches Glück aufs genaueste zu unterscheiden. Und wie fest müßte sich nicht ein Mensch in der Tugend machen können, der sie immer von der Seite betrachtete, wo sie jedesmal für ihn den stärksten Reiz hätte, und die Mittel zu ihrer Beförderung wählte, die für ihn gerade die wirksamsten wären! Darum ist Selbstkenntniß mit dem Vermögen, richtig und schnell jede Veränderung seiner Seele zu bemerken, etwas sehr vorzügliches, darnach der Weise mit Eifer trachten und nicht aufhören muß, es auszubilden, bis er sich so genau kennt als Gott, das ist, niemals."

Dieser große Werth, den Selbstkenntniß in seinen Augen hatte, und überdem die starke Neigung seiner Seele zu innrer ununterbrochner Wirksamkeit, und zu jeder Art des abstracten Denkens, die aus vorzüglicher innrer Anlage dazu entstanden war, und die er durch viele Arbeiten in der Mathematik und Philosophie noch immer mehr ausgebildet hatte, waren die Ursachen, daß er sich sehr früh zur Selbstbeobachtung gewöhnt hatte, und daher war seine Fertigkeit darin durch Uebung zu einem ungewöhnlichen Grade gestiegen, und er hatte dazu einen so großen Hang bekommen, daß er die Befriedigung desselben unter seine vornehmsten Vergnügungen rechnete.



jede zukuͤnftige Sache ihm Vergnuͤgen oder Schmerz verursachen wuͤrde; und dieß setzte ihn in den Stand, sein wahres und falsches Gluͤck aufs genaueste zu unterscheiden. Und wie fest muͤßte sich nicht ein Mensch in der Tugend machen koͤnnen, der sie immer von der Seite betrachtete, wo sie jedesmal fuͤr ihn den staͤrksten Reiz haͤtte, und die Mittel zu ihrer Befoͤrderung waͤhlte, die fuͤr ihn gerade die wirksamsten waͤren! Darum ist Selbstkenntniß mit dem Vermoͤgen, richtig und schnell jede Veraͤnderung seiner Seele zu bemerken, etwas sehr vorzuͤgliches, darnach der Weise mit Eifer trachten und nicht aufhoͤren muß, es auszubilden, bis er sich so genau kennt als Gott, das ist, niemals.«

Dieser große Werth, den Selbstkenntniß in seinen Augen hatte, und uͤberdem die starke Neigung seiner Seele zu innrer ununterbrochner Wirksamkeit, und zu jeder Art des abstracten Denkens, die aus vorzuͤglicher innrer Anlage dazu entstanden war, und die er durch viele Arbeiten in der Mathematik und Philosophie noch immer mehr ausgebildet hatte, waren die Ursachen, daß er sich sehr fruͤh zur Selbstbeobachtung gewoͤhnt hatte, und daher war seine Fertigkeit darin durch Uebung zu einem ungewoͤhnlichen Grade gestiegen, und er hatte dazu einen so großen Hang bekommen, daß er die Befriedigung desselben unter seine vornehmsten Vergnuͤgungen rechnete.


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[65/0065] jede zukuͤnftige Sache ihm Vergnuͤgen oder Schmerz verursachen wuͤrde; und dieß setzte ihn in den Stand, sein wahres und falsches Gluͤck aufs genaueste zu unterscheiden. Und wie fest muͤßte sich nicht ein Mensch in der Tugend machen koͤnnen, der sie immer von der Seite betrachtete, wo sie jedesmal fuͤr ihn den staͤrksten Reiz haͤtte, und die Mittel zu ihrer Befoͤrderung waͤhlte, die fuͤr ihn gerade die wirksamsten waͤren! Darum ist Selbstkenntniß mit dem Vermoͤgen, richtig und schnell jede Veraͤnderung seiner Seele zu bemerken, etwas sehr vorzuͤgliches, darnach der Weise mit Eifer trachten und nicht aufhoͤren muß, es auszubilden, bis er sich so genau kennt als Gott, das ist, niemals.« Dieser große Werth, den Selbstkenntniß in seinen Augen hatte, und uͤberdem die starke Neigung seiner Seele zu innrer ununterbrochner Wirksamkeit, und zu jeder Art des abstracten Denkens, die aus vorzuͤglicher innrer Anlage dazu entstanden war, und die er durch viele Arbeiten in der Mathematik und Philosophie noch immer mehr ausgebildet hatte, waren die Ursachen, daß er sich sehr fruͤh zur Selbstbeobachtung gewoͤhnt hatte, und daher war seine Fertigkeit darin durch Uebung zu einem ungewoͤhnlichen Grade gestiegen, und er hatte dazu einen so großen Hang bekommen, daß er die Befriedigung desselben unter seine vornehmsten Vergnuͤgungen rechnete.

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 2. Berlin, 1785, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0302_1785/65>, abgerufen am 24.11.2024.