Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 2. Berlin, 1785.
Die ersten Jahre des Lebens, wahrlich sie sind die wichtigsten. Das entschieden schon Montaigne, Locke, Rousseau, und Dank diesen und vielen andern verehrungswürdigen Männern unserer Zeit, daß sie sich mit solcher Wärme der Säuglinge und Unmündigen öffentlich annahmen. Leichter wärs freilich immer gewesen, das Verderben und die Ausartung der menschlichen Seele auf die sündhafte Natur zu assekuriren, und das, was Mütter und Väter und Ammen und Schulmeister verdarben, nach dem Stammbaum in gerader Linie bis zum Adam hinauf, auf die Vorwelt zu schieben, als durch Streben und Forschen und Wegräumen schon in der ersten Lebensperiode die Erziehung anzufangen. Und doch haben die Folgen davon von jeher sichtbar seyn müssen. Vorausgesetzt, was nun bewiesen genug ist, daß wir ohne bestimm-
Die ersten Jahre des Lebens, wahrlich sie sind die wichtigsten. Das entschieden schon Montaigne, Locke, Rousseau, und Dank diesen und vielen andern verehrungswuͤrdigen Maͤnnern unserer Zeit, daß sie sich mit solcher Waͤrme der Saͤuglinge und Unmuͤndigen oͤffentlich annahmen. Leichter waͤrs freilich immer gewesen, das Verderben und die Ausartung der menschlichen Seele auf die suͤndhafte Natur zu assekuriren, und das, was Muͤtter und Vaͤter und Ammen und Schulmeister verdarben, nach dem Stammbaum in gerader Linie bis zum Adam hinauf, auf die Vorwelt zu schieben, als durch Streben und Forschen und Wegraͤumen schon in der ersten Lebensperiode die Erziehung anzufangen. Und doch haben die Folgen davon von jeher sichtbar seyn muͤssen. Vorausgesetzt, was nun bewiesen genug ist, daß wir ohne bestimm- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0097" n="97"/><lb/> rer Sinne lernten, und so auf dieser Grundlage fortzubauen. Wie wichtig dieß freilich etwas muͤhsame Studium, hingegen wie schaͤdlich die Vernachlaͤßigung dieser Bemuͤhung sey, lehrt die Erfahrung den, der sich selbst einmal in dem Falle befand, wo man auf verkehrte Voraussetzung ihn verkehrt behandelte, wo man ihn zu etwas determinirte, wovon kein Funke in seiner Seele lag, oder wo man ihn von etwas zuruͤckzog, wohin sein inneres Streben ging, und seinen Anlagen und Empfindungen gerade entgegenarbeitete. </p> <p>Die ersten Jahre des Lebens, wahrlich sie sind die wichtigsten. Das entschieden schon <hi rendition="#b">Montaigne, Locke, Rousseau,</hi> und Dank diesen und vielen andern verehrungswuͤrdigen Maͤnnern unserer Zeit, daß sie sich mit solcher Waͤrme der Saͤuglinge und Unmuͤndigen oͤffentlich annahmen. Leichter waͤrs freilich immer gewesen, das Verderben und die Ausartung der menschlichen Seele auf die suͤndhafte Natur zu assekuriren, und das, was Muͤtter und Vaͤter und Ammen und Schulmeister verdarben, nach dem Stammbaum in gerader Linie bis zum Adam hinauf, auf die Vorwelt zu schieben, als durch Streben und Forschen und Wegraͤumen schon in der ersten Lebensperiode die Erziehung anzufangen. Und doch haben die Folgen davon von jeher sichtbar seyn muͤssen. Vorausgesetzt, was nun bewiesen genug ist, daß wir ohne bestimm-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [97/0097]
rer Sinne lernten, und so auf dieser Grundlage fortzubauen. Wie wichtig dieß freilich etwas muͤhsame Studium, hingegen wie schaͤdlich die Vernachlaͤßigung dieser Bemuͤhung sey, lehrt die Erfahrung den, der sich selbst einmal in dem Falle befand, wo man auf verkehrte Voraussetzung ihn verkehrt behandelte, wo man ihn zu etwas determinirte, wovon kein Funke in seiner Seele lag, oder wo man ihn von etwas zuruͤckzog, wohin sein inneres Streben ging, und seinen Anlagen und Empfindungen gerade entgegenarbeitete.
Die ersten Jahre des Lebens, wahrlich sie sind die wichtigsten. Das entschieden schon Montaigne, Locke, Rousseau, und Dank diesen und vielen andern verehrungswuͤrdigen Maͤnnern unserer Zeit, daß sie sich mit solcher Waͤrme der Saͤuglinge und Unmuͤndigen oͤffentlich annahmen. Leichter waͤrs freilich immer gewesen, das Verderben und die Ausartung der menschlichen Seele auf die suͤndhafte Natur zu assekuriren, und das, was Muͤtter und Vaͤter und Ammen und Schulmeister verdarben, nach dem Stammbaum in gerader Linie bis zum Adam hinauf, auf die Vorwelt zu schieben, als durch Streben und Forschen und Wegraͤumen schon in der ersten Lebensperiode die Erziehung anzufangen. Und doch haben die Folgen davon von jeher sichtbar seyn muͤssen. Vorausgesetzt, was nun bewiesen genug ist, daß wir ohne bestimm-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien
(2015-06-09T11:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat
(2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2015-06-09T11:00:00Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |