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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 2. Berlin, 1785.

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te Neigungen auf die Welt kommen, und das abgerechnet, woran die nothwendig individuelle Verschiedenheit der Organisation und die von den Eltern uns mitgetheilte Empfänglichkeit, die ich Empfindungsfähigkeit nennen möchte, Theil hat, so ist gewiß, daß in dieser Periode der Grund zu sehr vielen gelegt wird, was uns noch in spätem Jahren karakterisirt. Nur ein Beispiel. Musikalisches Talent, Leichtigkeit, von Tönen afficirt zu werden und sie in ihrer Verbindung zu fassen, die sich augenscheinlich bei einem Kinde mehr als bei dem andern, besonders bey dem Genie, äussert; das durch das stete Unterhalten und Studiren der Harmonie beförderte Gefühl für Schönheit und Kunst; -- vielleicht liegt dazu schon der Keim in den ersten Tagen der Kindheit, wurde vielleicht schon im ersten Moment des Daseins, bei dem ersten wundervollen Entwinden des Embryons aus dem Schooße der nachtvollen Dunkelheit der Seele eingewebt, eingepflanzt: vielleicht faste die noch schlummernde Seele einen Ton auf, der sie erschütterte und bis in ihr Jnnerstes erbeben machte: oder -- wenn es nicht zu sinnlich ist -- vielleicht drückten sich die Töne den zarten Fibern seines Gehirns zu stark, zu mächtig ein, ruhten wie feiner Staub auf der Maschine, bis sie, von erschütternder Thätigkeit angestoßen, sich mit dem heiligen Denkmarke vermischten und sich unter die übrigen Jdeen gesellten. Kann seyn, wir wissens nicht.


te Neigungen auf die Welt kommen, und das abgerechnet, woran die nothwendig individuelle Verschiedenheit der Organisation und die von den Eltern uns mitgetheilte Empfaͤnglichkeit, die ich Empfindungsfaͤhigkeit nennen moͤchte, Theil hat, so ist gewiß, daß in dieser Periode der Grund zu sehr vielen gelegt wird, was uns noch in spaͤtem Jahren karakterisirt. Nur ein Beispiel. Musikalisches Talent, Leichtigkeit, von Toͤnen afficirt zu werden und sie in ihrer Verbindung zu fassen, die sich augenscheinlich bei einem Kinde mehr als bei dem andern, besonders bey dem Genie, aͤussert; das durch das stete Unterhalten und Studiren der Harmonie befoͤrderte Gefuͤhl fuͤr Schoͤnheit und Kunst; — vielleicht liegt dazu schon der Keim in den ersten Tagen der Kindheit, wurde vielleicht schon im ersten Moment des Daseins, bei dem ersten wundervollen Entwinden des Embryons aus dem Schooße der nachtvollen Dunkelheit der Seele eingewebt, eingepflanzt: vielleicht faste die noch schlummernde Seele einen Ton auf, der sie erschuͤtterte und bis in ihr Jnnerstes erbeben machte: oder — wenn es nicht zu sinnlich ist — vielleicht druͤckten sich die Toͤne den zarten Fibern seines Gehirns zu stark, zu maͤchtig ein, ruhten wie feiner Staub auf der Maschine, bis sie, von erschuͤtternder Thaͤtigkeit angestoßen, sich mit dem heiligen Denkmarke vermischten und sich unter die uͤbrigen Jdeen gesellten. Kann seyn, wir wissens nicht.

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[98/0098] te Neigungen auf die Welt kommen, und das abgerechnet, woran die nothwendig individuelle Verschiedenheit der Organisation und die von den Eltern uns mitgetheilte Empfaͤnglichkeit, die ich Empfindungsfaͤhigkeit nennen moͤchte, Theil hat, so ist gewiß, daß in dieser Periode der Grund zu sehr vielen gelegt wird, was uns noch in spaͤtem Jahren karakterisirt. Nur ein Beispiel. Musikalisches Talent, Leichtigkeit, von Toͤnen afficirt zu werden und sie in ihrer Verbindung zu fassen, die sich augenscheinlich bei einem Kinde mehr als bei dem andern, besonders bey dem Genie, aͤussert; das durch das stete Unterhalten und Studiren der Harmonie befoͤrderte Gefuͤhl fuͤr Schoͤnheit und Kunst; — vielleicht liegt dazu schon der Keim in den ersten Tagen der Kindheit, wurde vielleicht schon im ersten Moment des Daseins, bei dem ersten wundervollen Entwinden des Embryons aus dem Schooße der nachtvollen Dunkelheit der Seele eingewebt, eingepflanzt: vielleicht faste die noch schlummernde Seele einen Ton auf, der sie erschuͤtterte und bis in ihr Jnnerstes erbeben machte: oder — wenn es nicht zu sinnlich ist — vielleicht druͤckten sich die Toͤne den zarten Fibern seines Gehirns zu stark, zu maͤchtig ein, ruhten wie feiner Staub auf der Maschine, bis sie, von erschuͤtternder Thaͤtigkeit angestoßen, sich mit dem heiligen Denkmarke vermischten und sich unter die uͤbrigen Jdeen gesellten. Kann seyn, wir wissens nicht.

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 2. Berlin, 1785, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0302_1785/98>, abgerufen am 27.11.2024.