Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 2. Berlin, 1785.Nachtrag zur Seelenkrankheitskunde. I. Umriß der Krankheitsgeschichte eines zwölfjährigen Knaben. Jch halte es für nöthig, dieser Geschichte einige Bemerkungen über den wahrgenommenen Charakter dieses Knabens voranzuschicken, weil von diesem vielleicht auf die Krankheit selbst könnte geschlossen werden. Der Knabe ist von kleinem Wuchs und sehr dicke, zum Nachdenken und zum Mitleid sehr geneigt. Er entwirft oft Plane auf sein zukünftiges Leben, die von Einsicht zeugen und einem Jüngling Ehre machen würden. Bei Unglücksfällen der Seinigen so wie bei fremder Noth wird er ausserordentlich gerührt und scheint heimlich auf Mittel zu denken, womit er solcher abhelfen könne. Daher ist er auch überaus bestrebsam und verräth bei keiner Arbeit die ihm nutzbar dünkt, einige Ermüdung. Oft hat er sich schon über Vermögen angestrengt und vielleicht haben die bisherigen Strapazen nicht wenig Einfluß auf die jetzige Zerrüttung seiner Gesundheit gehabt. So hat er z.B. einen Nachtrag zur Seelenkrankheitskunde. I. Umriß der Krankheitsgeschichte eines zwoͤlfjaͤhrigen Knaben. Jch halte es fuͤr noͤthig, dieser Geschichte einige Bemerkungen uͤber den wahrgenommenen Charakter dieses Knabens voranzuschicken, weil von diesem vielleicht auf die Krankheit selbst koͤnnte geschlossen werden. Der Knabe ist von kleinem Wuchs und sehr dicke, zum Nachdenken und zum Mitleid sehr geneigt. Er entwirft oft Plane auf sein zukuͤnftiges Leben, die von Einsicht zeugen und einem Juͤngling Ehre machen wuͤrden. Bei Ungluͤcksfaͤllen der Seinigen so wie bei fremder Noth wird er ausserordentlich geruͤhrt und scheint heimlich auf Mittel zu denken, womit er solcher abhelfen koͤnne. Daher ist er auch uͤberaus bestrebsam und verraͤth bei keiner Arbeit die ihm nutzbar duͤnkt, einige Ermuͤdung. Oft hat er sich schon uͤber Vermoͤgen angestrengt und vielleicht haben die bisherigen Strapazen nicht wenig Einfluß auf die jetzige Zerruͤttung seiner Gesundheit gehabt. So hat er z.B. einen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0100" n="100"/><lb/><lb/> </div> </div> <div n="2"> <head>Nachtrag zur Seelenkrankheitskunde.</head><lb/> <div n="3"> <head><hi rendition="#aq">I</hi>. Umriß der Krankheitsgeschichte eines zwoͤlfjaͤhrigen Knaben.</head><lb/> <note type="editorial"> <bibl> <persName ref="#ref70"><note type="editorial"/>Anonym</persName> </bibl> </note> <p>Jch halte es fuͤr noͤthig, dieser Geschichte einige Bemerkungen uͤber den wahrgenommenen Charakter dieses Knabens voranzuschicken, weil von diesem vielleicht auf die Krankheit selbst koͤnnte geschlossen werden. Der Knabe ist von kleinem Wuchs und sehr dicke, zum Nachdenken und zum Mitleid sehr geneigt. Er entwirft oft Plane auf sein zukuͤnftiges Leben, die von Einsicht zeugen und einem Juͤngling Ehre machen wuͤrden. Bei Ungluͤcksfaͤllen der Seinigen so wie bei fremder Noth wird er ausserordentlich geruͤhrt und scheint heimlich auf Mittel zu denken, womit er solcher abhelfen koͤnne. Daher ist er auch uͤberaus bestrebsam und verraͤth bei keiner Arbeit die ihm nutzbar duͤnkt, einige Ermuͤdung. Oft hat er sich schon uͤber Vermoͤgen angestrengt und vielleicht haben die bisherigen Strapazen nicht wenig Einfluß auf die jetzige Zerruͤttung seiner Gesundheit gehabt. So hat er z.B. einen<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [100/0100]
Nachtrag zur Seelenkrankheitskunde.
I. Umriß der Krankheitsgeschichte eines zwoͤlfjaͤhrigen Knaben.
Jch halte es fuͤr noͤthig, dieser Geschichte einige Bemerkungen uͤber den wahrgenommenen Charakter dieses Knabens voranzuschicken, weil von diesem vielleicht auf die Krankheit selbst koͤnnte geschlossen werden. Der Knabe ist von kleinem Wuchs und sehr dicke, zum Nachdenken und zum Mitleid sehr geneigt. Er entwirft oft Plane auf sein zukuͤnftiges Leben, die von Einsicht zeugen und einem Juͤngling Ehre machen wuͤrden. Bei Ungluͤcksfaͤllen der Seinigen so wie bei fremder Noth wird er ausserordentlich geruͤhrt und scheint heimlich auf Mittel zu denken, womit er solcher abhelfen koͤnne. Daher ist er auch uͤberaus bestrebsam und verraͤth bei keiner Arbeit die ihm nutzbar duͤnkt, einige Ermuͤdung. Oft hat er sich schon uͤber Vermoͤgen angestrengt und vielleicht haben die bisherigen Strapazen nicht wenig Einfluß auf die jetzige Zerruͤttung seiner Gesundheit gehabt. So hat er z.B. einen
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