Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 2. Berlin, 1785.

Bild:
<< vorherige Seite

Auszug aus einem Briefe von dem Verfasser der Geschichte meiner Verirrungen.

Schon aus meiner Geschichte werden Sie beurtheilen, in welchem Grade ich fähig sey, den Menschen zu beobachten. Mir fehlt es noch an manchen philosophischen Kenntnissen; ich möchte mich daher mannigmahl zu weit in das eigentliche gelehrte Studium der Seelenlehre verirren, wozu ich doch in mancherley Rücksicht mich zu schwach fühle.

Jch habe mir indessen eine Bahn gewählt, von welcher ich wünschte, daß sie Jhren Beyfall haben möchte. Jch habe angefangen, mich auf die äußern Kennzeichen der Menschenkenntniß zu legen. Daß es deren giebt, werden Sie um so weniger in Zweifel ziehen, da die mehresten Dinge in der Natur (und vielleicht alle) das Zeichen ihres Jnnern an sich tragen -- Sollte der Mensch allein davon ausgeschlossen seyn, der auf der obersten Stuffe der kör-


Auszug aus einem Briefe von dem Verfasser der Geschichte meiner Verirrungen.

Schon aus meiner Geschichte werden Sie beurtheilen, in welchem Grade ich faͤhig sey, den Menschen zu beobachten. Mir fehlt es noch an manchen philosophischen Kenntnissen; ich moͤchte mich daher mannigmahl zu weit in das eigentliche gelehrte Studium der Seelenlehre verirren, wozu ich doch in mancherley Ruͤcksicht mich zu schwach fuͤhle.

Jch habe mir indessen eine Bahn gewaͤhlt, von welcher ich wuͤnschte, daß sie Jhren Beyfall haben moͤchte. Jch habe angefangen, mich auf die aͤußern Kennzeichen der Menschenkenntniß zu legen. Daß es deren giebt, werden Sie um so weniger in Zweifel ziehen, da die mehresten Dinge in der Natur (und vielleicht alle) das Zeichen ihres Jnnern an sich tragen — Sollte der Mensch allein davon ausgeschlossen seyn, der auf der obersten Stuffe der koͤr-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0122" n="122"/><lb/><lb/>
        </div>
        <div n="2">
          <head>Auszug aus einem Briefe von dem Verfasser der Geschichte meiner                   Verirrungen.</head><lb/>
          <note type="editorial">
            <bibl>
              <persName ref="#ref75"><note type="editorial"/>Anonym</persName>
            </bibl>
          </note>
          <opener>
            <dateline> <hi rendition="#right">Halle, den 17ten Sept. 1785.</hi> </dateline>
          </opener>
          <p>Schon aus meiner Geschichte werden Sie beurtheilen, in welchem                   Grade ich fa&#x0364;hig sey, den Menschen zu beobachten. Mir fehlt es noch an manchen                   philosophischen Kenntnissen; ich mo&#x0364;chte mich daher mannigmahl zu weit in das                   eigentliche gelehrte Studium der Seelenlehre verirren, wozu ich doch in mancherley                   Ru&#x0364;cksicht mich zu schwach fu&#x0364;hle. </p>
          <p>Jch habe mir indessen eine Bahn gewa&#x0364;hlt, von welcher ich wu&#x0364;nschte, daß sie Jhren                   Beyfall haben mo&#x0364;chte. Jch habe angefangen, mich auf die a&#x0364;ußern Kennzeichen der                   Menschenkenntniß zu legen. Daß es deren giebt, werden Sie um so weniger in Zweifel                   ziehen, da die mehresten Dinge in der Natur (und vielleicht alle) das Zeichen                   ihres Jnnern an sich tragen &#x2014; Sollte der Mensch allein davon ausgeschlossen seyn,                   der auf der obersten Stuffe der ko&#x0364;r-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[122/0122] Auszug aus einem Briefe von dem Verfasser der Geschichte meiner Verirrungen. Halle, den 17ten Sept. 1785. Schon aus meiner Geschichte werden Sie beurtheilen, in welchem Grade ich faͤhig sey, den Menschen zu beobachten. Mir fehlt es noch an manchen philosophischen Kenntnissen; ich moͤchte mich daher mannigmahl zu weit in das eigentliche gelehrte Studium der Seelenlehre verirren, wozu ich doch in mancherley Ruͤcksicht mich zu schwach fuͤhle. Jch habe mir indessen eine Bahn gewaͤhlt, von welcher ich wuͤnschte, daß sie Jhren Beyfall haben moͤchte. Jch habe angefangen, mich auf die aͤußern Kennzeichen der Menschenkenntniß zu legen. Daß es deren giebt, werden Sie um so weniger in Zweifel ziehen, da die mehresten Dinge in der Natur (und vielleicht alle) das Zeichen ihres Jnnern an sich tragen — Sollte der Mensch allein davon ausgeschlossen seyn, der auf der obersten Stuffe der koͤr-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0303_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0303_1785/122
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 2. Berlin, 1785, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0303_1785/122>, abgerufen am 24.11.2024.