Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 2. Berlin, 1785.

Bild:
<< vorherige Seite


perlichen Dinge steht? Sollte es nicht möglich seyn, die Hauptzüge in den Charakter der Menschen nach dem Temperamente zu bestimmen? Sollte sich nicht jedes prädominirende Temperament durch gewisse Handlungen verrathen, und sollte dasselbe nicht auch äußere Kennzeichen haben? Sollte die Lehre von dem Einfluß der Temperamente in die Handlungen der Menschen so unwichtig seyn, daß daraus nicht auch so ziemlich richtig der Antheil oder die moralische Zurechnung bestimmt werden könnte, die der Mensch an einer Handlung hat? Würde dann nicht Billigkeit und mehrere Untrüglichkeit in unserm Urtheil eine der ersten und wohlthätigsten Folgen der Temperamentskunde seyn?

Und, sollte man auf diesem Wege die Menschen nicht eben sowohl klaßificiren können, wie man die übrigen Produkte in den drei Reichen der Natur klaßificirt hat? Würde man so weit in der Kenntniß der Natur seyn, wenn man nicht jedes Ding nach gewissen Maaßstäben zu messen, und dasselbe auf seine eigentliche Stelle hinzusetzen gewußt hätte? Jch bin nicht belesen genug, um zu sagen, ob ich der erste sey, der auf diese Hypothese gefallen ist. Jch finde viel Wahrheit in ihr, und deswegen wünsche ich um so eifriger, auch Jhre Gedanken darüber zu lesen.




perlichen Dinge steht? Sollte es nicht moͤglich seyn, die Hauptzuͤge in den Charakter der Menschen nach dem Temperamente zu bestimmen? Sollte sich nicht jedes praͤdominirende Temperament durch gewisse Handlungen verrathen, und sollte dasselbe nicht auch aͤußere Kennzeichen haben? Sollte die Lehre von dem Einfluß der Temperamente in die Handlungen der Menschen so unwichtig seyn, daß daraus nicht auch so ziemlich richtig der Antheil oder die moralische Zurechnung bestimmt werden koͤnnte, die der Mensch an einer Handlung hat? Wuͤrde dann nicht Billigkeit und mehrere Untruͤglichkeit in unserm Urtheil eine der ersten und wohlthaͤtigsten Folgen der Temperamentskunde seyn?

Und, sollte man auf diesem Wege die Menschen nicht eben sowohl klaßificiren koͤnnen, wie man die uͤbrigen Produkte in den drei Reichen der Natur klaßificirt hat? Wuͤrde man so weit in der Kenntniß der Natur seyn, wenn man nicht jedes Ding nach gewissen Maaßstaͤben zu messen, und dasselbe auf seine eigentliche Stelle hinzusetzen gewußt haͤtte? Jch bin nicht belesen genug, um zu sagen, ob ich der erste sey, der auf diese Hypothese gefallen ist. Jch finde viel Wahrheit in ihr, und deswegen wuͤnsche ich um so eifriger, auch Jhre Gedanken daruͤber zu lesen.



<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0123" n="123"/><lb/>
perlichen Dinge steht?                   Sollte es nicht mo&#x0364;glich seyn, die Hauptzu&#x0364;ge in den Charakter der Menschen nach dem                   Temperamente zu bestimmen? Sollte sich nicht jedes pra&#x0364;dominirende Temperament                   durch gewisse Handlungen verrathen, und sollte dasselbe nicht auch <hi rendition="#b">a&#x0364;ußere</hi> Kennzeichen haben? Sollte die Lehre von dem Einfluß                   der Temperamente in die Handlungen der Menschen so unwichtig seyn, daß daraus                   nicht auch so ziemlich richtig der Antheil oder die moralische Zurechnung bestimmt                   werden ko&#x0364;nnte, die der Mensch an einer Handlung hat? Wu&#x0364;rde dann nicht Billigkeit                   und mehrere Untru&#x0364;glichkeit in unserm Urtheil eine der ersten und wohltha&#x0364;tigsten                   Folgen der Temperamentskunde seyn? </p>
          <p>Und, sollte man auf diesem Wege die Menschen nicht eben sowohl klaßificiren                   ko&#x0364;nnen, wie man die u&#x0364;brigen Produkte in den drei Reichen der Natur klaßificirt                   hat? Wu&#x0364;rde man so weit in der Kenntniß der Natur seyn, wenn man nicht jedes Ding                   nach gewissen Maaßsta&#x0364;ben zu messen, und dasselbe auf seine eigentliche Stelle                   hinzusetzen gewußt ha&#x0364;tte? Jch bin nicht belesen genug, um zu sagen, ob ich der                   erste sey, der auf diese Hypothese gefallen ist. Jch finde viel Wahrheit in ihr,                   und deswegen wu&#x0364;nsche ich um so eifriger, auch Jhre Gedanken daru&#x0364;ber zu lesen. </p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
    <back><lb/>
    </back>
  </text>
</TEI>
[123/0123] perlichen Dinge steht? Sollte es nicht moͤglich seyn, die Hauptzuͤge in den Charakter der Menschen nach dem Temperamente zu bestimmen? Sollte sich nicht jedes praͤdominirende Temperament durch gewisse Handlungen verrathen, und sollte dasselbe nicht auch aͤußere Kennzeichen haben? Sollte die Lehre von dem Einfluß der Temperamente in die Handlungen der Menschen so unwichtig seyn, daß daraus nicht auch so ziemlich richtig der Antheil oder die moralische Zurechnung bestimmt werden koͤnnte, die der Mensch an einer Handlung hat? Wuͤrde dann nicht Billigkeit und mehrere Untruͤglichkeit in unserm Urtheil eine der ersten und wohlthaͤtigsten Folgen der Temperamentskunde seyn? Und, sollte man auf diesem Wege die Menschen nicht eben sowohl klaßificiren koͤnnen, wie man die uͤbrigen Produkte in den drei Reichen der Natur klaßificirt hat? Wuͤrde man so weit in der Kenntniß der Natur seyn, wenn man nicht jedes Ding nach gewissen Maaßstaͤben zu messen, und dasselbe auf seine eigentliche Stelle hinzusetzen gewußt haͤtte? Jch bin nicht belesen genug, um zu sagen, ob ich der erste sey, der auf diese Hypothese gefallen ist. Jch finde viel Wahrheit in ihr, und deswegen wuͤnsche ich um so eifriger, auch Jhre Gedanken daruͤber zu lesen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0303_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0303_1785/123
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 2. Berlin, 1785, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0303_1785/123>, abgerufen am 24.11.2024.