Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 2. Berlin, 1785.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0044" n="44"/><lb/> einem blauen Vorhang behangenen Tisch. Das half aber nichts, und ich erhielt fuͤr meinen Muthwillen und Unfolgsamkeit die noͤthige Zuͤchtigung. Diese Begebenheit ist mir noch so neu, daß ich mich auch aller dabei vorgefallenen Nebenumstaͤnde sehr wohl erinnere. — Ferner: Meine Schwester, auf die ich schon als Kind sehr viel hielt, bekam in ihrem 4ten Jahre die Pocken, und ich war damals 7 Jahr alt. Sie wurde bei dieser Krankheit auf einige Zeit blind, und verlangte ihr Spielzeug. Meine Mutter, die sie im Mantel trug, gab ihr einige Stuͤcken. Da sie aber versicherte, daß sie es nicht sehen koͤnnte, antwortete ihr meine Mutter; <hi rendition="#b">ja, das glaube ich wohl, du armes Kind, daß du es nicht sehen kannst, du wirst aber bald wieder sehen lernen.</hi> Jch erinnere mich dieser Worte noch so lebhaft, als wenn ich sie erst heute gehoͤrt haͤtte; ja ich weiß noch den Ort in der Stube, wo sie gesprochen wurden, obgleich seitdem schon ein Zeitraum von 24 Jahren verflossen ist, und seit dieser Zeit nicht wieder davon geredet ist. — Weiter: Jch war noch nicht 6 Jahr alt, da ich an einem gewissen Sonntage zur Winterszeit mit in die Kirche gehen mußte. Es war sehr kalt, und der Prediger predigte so sehr lange, daß ich mit Verlangen auf das Ende der Predigt hoffte. Die unangenehmen Empfindungen, die ich dabei hatte, muͤßen einen so tiefen Eindruck auf mich gemacht haben, daß mir der Umstand unvergeßlich geblie-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [44/0044]
einem blauen Vorhang behangenen Tisch. Das half aber nichts, und ich erhielt fuͤr meinen Muthwillen und Unfolgsamkeit die noͤthige Zuͤchtigung. Diese Begebenheit ist mir noch so neu, daß ich mich auch aller dabei vorgefallenen Nebenumstaͤnde sehr wohl erinnere. — Ferner: Meine Schwester, auf die ich schon als Kind sehr viel hielt, bekam in ihrem 4ten Jahre die Pocken, und ich war damals 7 Jahr alt. Sie wurde bei dieser Krankheit auf einige Zeit blind, und verlangte ihr Spielzeug. Meine Mutter, die sie im Mantel trug, gab ihr einige Stuͤcken. Da sie aber versicherte, daß sie es nicht sehen koͤnnte, antwortete ihr meine Mutter; ja, das glaube ich wohl, du armes Kind, daß du es nicht sehen kannst, du wirst aber bald wieder sehen lernen. Jch erinnere mich dieser Worte noch so lebhaft, als wenn ich sie erst heute gehoͤrt haͤtte; ja ich weiß noch den Ort in der Stube, wo sie gesprochen wurden, obgleich seitdem schon ein Zeitraum von 24 Jahren verflossen ist, und seit dieser Zeit nicht wieder davon geredet ist. — Weiter: Jch war noch nicht 6 Jahr alt, da ich an einem gewissen Sonntage zur Winterszeit mit in die Kirche gehen mußte. Es war sehr kalt, und der Prediger predigte so sehr lange, daß ich mit Verlangen auf das Ende der Predigt hoffte. Die unangenehmen Empfindungen, die ich dabei hatte, muͤßen einen so tiefen Eindruck auf mich gemacht haben, daß mir der Umstand unvergeßlich geblie-
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