Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 2. Berlin, 1785.
Auf den Begrif von Grenze und Figur, oder vielmehr aus dem Verhältniß der Grenze zur ganzen Figur, gründet sich der Begriff von der Schönheit der Formen. Wir können so lange einen sichtbaren Gegenstand nicht schön nennen, so lange wir nicht die einzelnen Theile desselben mit seinem ganzen Umfange vergleichen können; jene einzelnen Theile können zwar an sich selbst schön seyn, Weil sie unter sich eine richtige abgemessene und schickliche Stellung haben; aber wir dürfen nicht davon auf die Schönheit des Ganzen schliessen, wenn uns noch viele andere Theile davon unbekannt sind. Ein neuerer Philosoph hat mit vielem Scharfsinn zu beweisen gesucht, daß der Begrif von Schönheit nicht auf Proportion der Theile eines sichtbaren Gegenstandes beruht,*) wodurch er natürlicher Weise auch das Verhältniß der Theile gegen die ganze Form mit versteht. -- Er führt aus dem Pflanzen- und Thierreiche Gegenstände an, die wir schön *) Sieh. A philosophical Enquiry into the origine of our ideas of the sublime and beautiful. By C. Burke Lond. 1767. 8.
Auf den Begrif von Grenze und Figur, oder vielmehr aus dem Verhaͤltniß der Grenze zur ganzen Figur, gruͤndet sich der Begriff von der Schoͤnheit der Formen. Wir koͤnnen so lange einen sichtbaren Gegenstand nicht schoͤn nennen, so lange wir nicht die einzelnen Theile desselben mit seinem ganzen Umfange vergleichen koͤnnen; jene einzelnen Theile koͤnnen zwar an sich selbst schoͤn seyn, Weil sie unter sich eine richtige abgemessene und schickliche Stellung haben; aber wir duͤrfen nicht davon auf die Schoͤnheit des Ganzen schliessen, wenn uns noch viele andere Theile davon unbekannt sind. Ein neuerer Philosoph hat mit vielem Scharfsinn zu beweisen gesucht, daß der Begrif von Schoͤnheit nicht auf Proportion der Theile eines sichtbaren Gegenstandes beruht,*) wodurch er natuͤrlicher Weise auch das Verhaͤltniß der Theile gegen die ganze Form mit versteht. — Er fuͤhrt aus dem Pflanzen- und Thierreiche Gegenstaͤnde an, die wir schoͤn *) Sieh. A philosophical Enquiry into the origine of our ideas of the sublime and beautiful. By C. Burke Lond. 1767. 8.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0056" n="56"/><lb/> und wir glauben ihm deswegen im ersten Fall naͤher zu seyn, weil der Horizont, an dem er sich befindet, und mit dem wir ihn zunaͤchst in Verbindung sehen, allemal wenn es dunkel wird, und das zwischen ihm und unserm Auge liegende Thal verschwindet, <hi rendition="#b">naͤher</hi> zu uns herzuruͤcken <hi rendition="#b">scheint.</hi> </p> <p>Auf den Begrif von Grenze und Figur, oder vielmehr aus dem <hi rendition="#b">Verhaͤltniß</hi> der <hi rendition="#b">Grenze zur ganzen Figur,</hi> gruͤndet sich der Begriff von der <hi rendition="#b">Schoͤnheit der Formen.</hi> Wir koͤnnen so lange einen sichtbaren Gegenstand nicht schoͤn nennen, so lange wir nicht die <hi rendition="#b">einzelnen Theile</hi> desselben mit seinem <hi rendition="#b">ganzen Umfange</hi> vergleichen koͤnnen; jene einzelnen Theile koͤnnen zwar an sich selbst schoͤn seyn, Weil sie unter sich eine richtige abgemessene und schickliche Stellung haben; aber wir duͤrfen nicht davon auf die Schoͤnheit des Ganzen schliessen, wenn uns noch viele andere Theile davon unbekannt sind. Ein neuerer Philosoph hat mit vielem Scharfsinn zu beweisen gesucht, daß der Begrif von Schoͤnheit nicht auf <hi rendition="#b">Proportion</hi> der Theile eines sichtbaren Gegenstandes beruht,*)<note place="foot"><p>*) Sieh. <hi rendition="#aq">A philosophical Enquiry into the origine of our ideas of the sublime and beautiful. By C. Burke Lond.</hi> 1767. 8.</p></note> wodurch er natuͤrlicher Weise auch das Verhaͤltniß der Theile gegen die <hi rendition="#b">ganze</hi> Form mit versteht. — Er fuͤhrt aus dem Pflanzen- und Thierreiche Gegenstaͤnde an, die wir schoͤn<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [56/0056]
und wir glauben ihm deswegen im ersten Fall naͤher zu seyn, weil der Horizont, an dem er sich befindet, und mit dem wir ihn zunaͤchst in Verbindung sehen, allemal wenn es dunkel wird, und das zwischen ihm und unserm Auge liegende Thal verschwindet, naͤher zu uns herzuruͤcken scheint.
Auf den Begrif von Grenze und Figur, oder vielmehr aus dem Verhaͤltniß der Grenze zur ganzen Figur, gruͤndet sich der Begriff von der Schoͤnheit der Formen. Wir koͤnnen so lange einen sichtbaren Gegenstand nicht schoͤn nennen, so lange wir nicht die einzelnen Theile desselben mit seinem ganzen Umfange vergleichen koͤnnen; jene einzelnen Theile koͤnnen zwar an sich selbst schoͤn seyn, Weil sie unter sich eine richtige abgemessene und schickliche Stellung haben; aber wir duͤrfen nicht davon auf die Schoͤnheit des Ganzen schliessen, wenn uns noch viele andere Theile davon unbekannt sind. Ein neuerer Philosoph hat mit vielem Scharfsinn zu beweisen gesucht, daß der Begrif von Schoͤnheit nicht auf Proportion der Theile eines sichtbaren Gegenstandes beruht,*) wodurch er natuͤrlicher Weise auch das Verhaͤltniß der Theile gegen die ganze Form mit versteht. — Er fuͤhrt aus dem Pflanzen- und Thierreiche Gegenstaͤnde an, die wir schoͤn
*) Sieh. A philosophical Enquiry into the origine of our ideas of the sublime and beautiful. By C. Burke Lond. 1767. 8.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien
(2015-06-09T11:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat
(2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2015-06-09T11:00:00Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |