Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 2. Berlin, 1785.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0057" n="57"/><lb/> nennen, ob wir gleich nicht sagen koͤnnten, daß ihre einzelnen Theile mit dem Ganzen in einem abgemessenen Verhaͤltnisse stuͤnden; allein mich duͤnkt das hebt den einmal angenommenen Begrif von Schoͤnheit, daß sie auf Proportion der Theile beruhe nicht auf, weil die selbst von ihm angefuͤhrten schoͤnen Formen, die nach seiner Meinung nicht aus Proportion der Theile schoͤn seyn sollen, <hi rendition="#b">haͤßlich</hi> werden wuͤrden, wenn man die ihnen von der Natur der Kunst mitgetheilte Figur <hi rendition="#b">umaͤndern</hi> wollte. Wir sehen offenbar daß eine Bildsaͤule haͤßlich wird, wenn wir die Verhaͤltnisse ihrer Theile zur ganzen Form derselben aufheben, und verhunzen. — <hi rendition="#b">Warum</hi> uns gerade <hi rendition="#b">die</hi> und <hi rendition="#b">keine andere Proportion</hi> an einer schoͤnen Form <hi rendition="#b">gefaͤllt,</hi> ist eine andere Frage, die nicht leicht ganz befriedigend beantwortet werden kann, da sie sich auf ein noch ziemlich <hi rendition="#b">dunkles Gefuͤhl</hi> von der Zuneigung unsrer Herzen gegen schoͤne Gegenstaͤnde bezieht. Unter den Formen sichtbarer Dinge gefaͤllt uns vornehmlich die <hi rendition="#b">runde,</hi> besonders wenn sie grossen und erhabnen Gegenstaͤnden eigen ist. Ein grosser runder Rasenplatz macht einen angenehmern Eindruck auf uns, als ein eckiger; eine runde Saͤule gefaͤllt uns mehr, als eine eckige. Der Grund von <hi rendition="#b">dem Angenehmen,</hi> das in der Vorstellung eines runden Koͤrpers liegt, mag wohl der seyn, daß wir einen runden Koͤrper fuͤr einen sehr <hi rendition="#b">vollkommnen</hi> sinnlichen Gegenstand halten, und wir halten<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [57/0057]
nennen, ob wir gleich nicht sagen koͤnnten, daß ihre einzelnen Theile mit dem Ganzen in einem abgemessenen Verhaͤltnisse stuͤnden; allein mich duͤnkt das hebt den einmal angenommenen Begrif von Schoͤnheit, daß sie auf Proportion der Theile beruhe nicht auf, weil die selbst von ihm angefuͤhrten schoͤnen Formen, die nach seiner Meinung nicht aus Proportion der Theile schoͤn seyn sollen, haͤßlich werden wuͤrden, wenn man die ihnen von der Natur der Kunst mitgetheilte Figur umaͤndern wollte. Wir sehen offenbar daß eine Bildsaͤule haͤßlich wird, wenn wir die Verhaͤltnisse ihrer Theile zur ganzen Form derselben aufheben, und verhunzen. — Warum uns gerade die und keine andere Proportion an einer schoͤnen Form gefaͤllt, ist eine andere Frage, die nicht leicht ganz befriedigend beantwortet werden kann, da sie sich auf ein noch ziemlich dunkles Gefuͤhl von der Zuneigung unsrer Herzen gegen schoͤne Gegenstaͤnde bezieht. Unter den Formen sichtbarer Dinge gefaͤllt uns vornehmlich die runde, besonders wenn sie grossen und erhabnen Gegenstaͤnden eigen ist. Ein grosser runder Rasenplatz macht einen angenehmern Eindruck auf uns, als ein eckiger; eine runde Saͤule gefaͤllt uns mehr, als eine eckige. Der Grund von dem Angenehmen, das in der Vorstellung eines runden Koͤrpers liegt, mag wohl der seyn, daß wir einen runden Koͤrper fuͤr einen sehr vollkommnen sinnlichen Gegenstand halten, und wir halten
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