Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 2. Berlin, 1785.
Jch hatte alles, Bücher und Papier, ausgenommen das Federmesser, auf die Seite gelegt. Dieses mußte, da es so frey lag, den letzten Blick, indem ich das Licht auslöschte, auf sich ziehen. Jch legte mich mit dem Bilde des Messers nieder. Die in jenen Jahren noch geringe Anstrengung des Geistes, war durch plötzliche Müdigkeit unterbrochen worden, ich hatte auch wohl schon, wovon ich aber doch nicht völlig gewiß bin, auf dem Stuhle geschlafen, die vorher genährte Vorstellungen wurden daher nicht sogleich wieder lebhaft; vielleicht hatte mich selbst die Beschäftigung schon vorher zur Unzufriedenheit gestimmt; wie leicht konnte mich also die Jdee des Gebrauchs und des nachläßigen Liegenlassens des Messers nur ganz allein beschäftigen? Plözlich entstand in mir der Wunsch: wenn, du doch das Messer lieber eingelegt hättest, wer weiß es könnte ein Unglück geschehen. -- Jmmer noch im Allgemeinen empfunden und gedacht. Jmmer noch war ich im Zustande der völligen Besonnenheit und des Selbstbewußtseyns. Aber schon dieser Einfall befremdete mich. Meine Seele hielt fest an dieser abgestreiften Jdee, die Einbildungskraft mahlte sich das Bild aus, daß endlich diese lebhaft empfundene Vorstellung des möglichen Schadens in Mißtrauen und Besorgniß übergieng, und es
Jch hatte alles, Buͤcher und Papier, ausgenommen das Federmesser, auf die Seite gelegt. Dieses mußte, da es so frey lag, den letzten Blick, indem ich das Licht ausloͤschte, auf sich ziehen. Jch legte mich mit dem Bilde des Messers nieder. Die in jenen Jahren noch geringe Anstrengung des Geistes, war durch ploͤtzliche Muͤdigkeit unterbrochen worden, ich hatte auch wohl schon, wovon ich aber doch nicht voͤllig gewiß bin, auf dem Stuhle geschlafen, die vorher genaͤhrte Vorstellungen wurden daher nicht sogleich wieder lebhaft; vielleicht hatte mich selbst die Beschaͤftigung schon vorher zur Unzufriedenheit gestimmt; wie leicht konnte mich also die Jdee des Gebrauchs und des nachlaͤßigen Liegenlassens des Messers nur ganz allein beschaͤftigen? Ploͤzlich entstand in mir der Wunsch: wenn, du doch das Messer lieber eingelegt haͤttest, wer weiß es koͤnnte ein Ungluͤck geschehen. — Jmmer noch im Allgemeinen empfunden und gedacht. Jmmer noch war ich im Zustande der voͤlligen Besonnenheit und des Selbstbewußtseyns. Aber schon dieser Einfall befremdete mich. Meine Seele hielt fest an dieser abgestreiften Jdee, die Einbildungskraft mahlte sich das Bild aus, daß endlich diese lebhaft empfundene Vorstellung des moͤglichen Schadens in Mißtrauen und Besorgniß uͤbergieng, und es <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0065" n="65"/><lb/> chen ich den wahren Verlauf dieser Geschichte zu uͤbersehen glaube.</p> <p>Jch hatte alles, Buͤcher und Papier, ausgenommen das Federmesser, auf die Seite gelegt. Dieses mußte, da es so frey lag, den letzten Blick, indem ich das Licht ausloͤschte, auf sich ziehen. Jch legte mich mit dem Bilde des Messers nieder. Die in jenen Jahren noch geringe Anstrengung des Geistes, war durch ploͤtzliche Muͤdigkeit unterbrochen worden, ich hatte auch wohl schon, wovon ich aber doch nicht voͤllig gewiß bin, auf dem Stuhle geschlafen, die vorher genaͤhrte Vorstellungen wurden daher nicht sogleich wieder lebhaft; vielleicht hatte mich selbst die Beschaͤftigung schon vorher zur Unzufriedenheit gestimmt; wie leicht konnte mich also die Jdee des Gebrauchs und des nachlaͤßigen Liegenlassens des Messers nur ganz allein beschaͤftigen? </p> <p>Ploͤzlich entstand in mir der Wunsch: wenn, du doch das Messer lieber eingelegt haͤttest, wer weiß es koͤnnte ein Ungluͤck geschehen. — Jmmer noch im Allgemeinen empfunden und gedacht. Jmmer noch war ich im Zustande der voͤlligen Besonnenheit und des Selbstbewußtseyns. Aber schon dieser Einfall befremdete mich. Meine Seele hielt fest an dieser abgestreiften Jdee, die Einbildungskraft mahlte sich das Bild aus, daß endlich diese lebhaft empfundene Vorstellung des moͤglichen Schadens in Mißtrauen und Besorgniß uͤbergieng, und es<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [65/0065]
chen ich den wahren Verlauf dieser Geschichte zu uͤbersehen glaube.
Jch hatte alles, Buͤcher und Papier, ausgenommen das Federmesser, auf die Seite gelegt. Dieses mußte, da es so frey lag, den letzten Blick, indem ich das Licht ausloͤschte, auf sich ziehen. Jch legte mich mit dem Bilde des Messers nieder. Die in jenen Jahren noch geringe Anstrengung des Geistes, war durch ploͤtzliche Muͤdigkeit unterbrochen worden, ich hatte auch wohl schon, wovon ich aber doch nicht voͤllig gewiß bin, auf dem Stuhle geschlafen, die vorher genaͤhrte Vorstellungen wurden daher nicht sogleich wieder lebhaft; vielleicht hatte mich selbst die Beschaͤftigung schon vorher zur Unzufriedenheit gestimmt; wie leicht konnte mich also die Jdee des Gebrauchs und des nachlaͤßigen Liegenlassens des Messers nur ganz allein beschaͤftigen?
Ploͤzlich entstand in mir der Wunsch: wenn, du doch das Messer lieber eingelegt haͤttest, wer weiß es koͤnnte ein Ungluͤck geschehen. — Jmmer noch im Allgemeinen empfunden und gedacht. Jmmer noch war ich im Zustande der voͤlligen Besonnenheit und des Selbstbewußtseyns. Aber schon dieser Einfall befremdete mich. Meine Seele hielt fest an dieser abgestreiften Jdee, die Einbildungskraft mahlte sich das Bild aus, daß endlich diese lebhaft empfundene Vorstellung des moͤglichen Schadens in Mißtrauen und Besorgniß uͤbergieng, und es
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