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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 2. Berlin, 1785.

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men, begleitet uns doch dabei auch oft eine gemischte Empfindung der Freude, die bald allein durch die Neuheit der Sache hervorgebracht, bald durch den Antheil erzeugt wird, den wir an der glücklichen Entwickelung wunderbarer Zufälle nehmen. Auch sind nicht alle Wunderwerke schrecklich, sondern viele stimmen so sehr mit den Wünschen unseres Herzens überein, daß sich nicht selten unsere Freude darüber in ein Entzücken verwandelt, zumal wenn es denjenigen Leuten in einer Wundergeschichte gut geht, für die sich unser Herz gleichsam durch eine zärtliche Sympathie erklärt hat, wenn sie auch gleich seit Jahrhunderten nicht mehr -- oder wol gar nicht in der Welt gewesen sind; denn unsere Gefühle täuschen uns oft so sehr, daß wir selbst von Schicksalen solcher Personen gerührt werden, die in der bloßen Einbildungskraft eines Dichters oder Romanschreibers existirt haben.

Es sei mir erlaubt zum Beschlüsse dieses Aufsatzes noch jener besondern Erscheinung der menschlichen Seele zu gedenken, die sich bei Leuten von einer sehr lebhaften Einbildungskraft schon so oft gezeigt hat, und sich in unsern Tagen bei so manchem erhitzten -- auch wohl aufgeklärten Kopfe, bis diesen Augenblick zeigt -- nehmlich des schwärmerischen Gefühls, welches jene Leute von einer eigenen beiwohnenden Wunderkraft zu empfinden glauben. Man kann alle menschlichen Wunderthäter der alten und neuen Geschichte in zwei Klassen theilen, in sol-


men, begleitet uns doch dabei auch oft eine gemischte Empfindung der Freude, die bald allein durch die Neuheit der Sache hervorgebracht, bald durch den Antheil erzeugt wird, den wir an der gluͤcklichen Entwickelung wunderbarer Zufaͤlle nehmen. Auch sind nicht alle Wunderwerke schrecklich, sondern viele stimmen so sehr mit den Wuͤnschen unseres Herzens uͤberein, daß sich nicht selten unsere Freude daruͤber in ein Entzuͤcken verwandelt, zumal wenn es denjenigen Leuten in einer Wundergeschichte gut geht, fuͤr die sich unser Herz gleichsam durch eine zaͤrtliche Sympathie erklaͤrt hat, wenn sie auch gleich seit Jahrhunderten nicht mehr — oder wol gar nicht in der Welt gewesen sind; denn unsere Gefuͤhle taͤuschen uns oft so sehr, daß wir selbst von Schicksalen solcher Personen geruͤhrt werden, die in der bloßen Einbildungskraft eines Dichters oder Romanschreibers existirt haben.

Es sei mir erlaubt zum Beschluͤsse dieses Aufsatzes noch jener besondern Erscheinung der menschlichen Seele zu gedenken, die sich bei Leuten von einer sehr lebhaften Einbildungskraft schon so oft gezeigt hat, und sich in unsern Tagen bei so manchem erhitzten — auch wohl aufgeklaͤrten Kopfe, bis diesen Augenblick zeigt — nehmlich des schwaͤrmerischen Gefuͤhls, welches jene Leute von einer eigenen beiwohnenden Wunderkraft zu empfinden glauben. Man kann alle menschlichen Wunderthaͤter der alten und neuen Geschichte in zwei Klassen theilen, in sol-

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[95/0095] men, begleitet uns doch dabei auch oft eine gemischte Empfindung der Freude, die bald allein durch die Neuheit der Sache hervorgebracht, bald durch den Antheil erzeugt wird, den wir an der gluͤcklichen Entwickelung wunderbarer Zufaͤlle nehmen. Auch sind nicht alle Wunderwerke schrecklich, sondern viele stimmen so sehr mit den Wuͤnschen unseres Herzens uͤberein, daß sich nicht selten unsere Freude daruͤber in ein Entzuͤcken verwandelt, zumal wenn es denjenigen Leuten in einer Wundergeschichte gut geht, fuͤr die sich unser Herz gleichsam durch eine zaͤrtliche Sympathie erklaͤrt hat, wenn sie auch gleich seit Jahrhunderten nicht mehr — oder wol gar nicht in der Welt gewesen sind; denn unsere Gefuͤhle taͤuschen uns oft so sehr, daß wir selbst von Schicksalen solcher Personen geruͤhrt werden, die in der bloßen Einbildungskraft eines Dichters oder Romanschreibers existirt haben. Es sei mir erlaubt zum Beschluͤsse dieses Aufsatzes noch jener besondern Erscheinung der menschlichen Seele zu gedenken, die sich bei Leuten von einer sehr lebhaften Einbildungskraft schon so oft gezeigt hat, und sich in unsern Tagen bei so manchem erhitzten — auch wohl aufgeklaͤrten Kopfe, bis diesen Augenblick zeigt — nehmlich des schwaͤrmerischen Gefuͤhls, welches jene Leute von einer eigenen beiwohnenden Wunderkraft zu empfinden glauben. Man kann alle menschlichen Wunderthaͤter der alten und neuen Geschichte in zwei Klassen theilen, in sol-

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 2. Berlin, 1785, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0303_1785/95>, abgerufen am 21.11.2024.