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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 2. Berlin, 1786.

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dreißig Zähne im Munde, als er noch Muttermilch trank. Dafür war er nun aber auch ein derber fester Junge geworden, der keine einzige von den vielen Schwächlichkeiten kannte, welchen Kinder in den Städten durch eine allzufrühe Entwöhnung von ihren galanten Müttern, noch öfter aber durch die verdorbenen Säfte verbuhlter Ammen unterworfen sind. Als Schack entwöhnt wurde, konnte er schon eine Menge Wörter aussprechen, deren einige er sich nach der Gewohnheit vieler Kinder selbst geschaffen hatte. So nannte er zum Beweis die Brust seiner Mutter, Hammeti. Traurig und unzufrieden schlich er nach seiner Entwöhnung herum, und klagte Tagelang über den Verlust seiner lieben Hammeti, bis ihn sein guter Appetit an andere Speisen gewöhnte. --


Die Schwäche der Nerven in den ersten Jahren unserer Kindheit, der Mangel am Nachdenken und Ueberlegen in diesen Jahren, und vornehmlich der einer Sprache, ohne die es uns so schwer wird, abstrakte Begriffe zu sammeln, und endlich die gleichsam noch im Schlummer liegende Gedächtnißkraft unserer Seele, sind wohl die vornehmsten Ursachen, daß wir uns so wenige Dinge aus jener Zeit zu erinnern wissen. Was wir davon noch in unserm Gedächtnisse übrig behalten haben, sind gemeiniglich dunkele Bilder, die bei ihrem Entste-


dreißig Zaͤhne im Munde, als er noch Muttermilch trank. Dafuͤr war er nun aber auch ein derber fester Junge geworden, der keine einzige von den vielen Schwaͤchlichkeiten kannte, welchen Kinder in den Staͤdten durch eine allzufruͤhe Entwoͤhnung von ihren galanten Muͤttern, noch oͤfter aber durch die verdorbenen Saͤfte verbuhlter Ammen unterworfen sind. Als Schack entwoͤhnt wurde, konnte er schon eine Menge Woͤrter aussprechen, deren einige er sich nach der Gewohnheit vieler Kinder selbst geschaffen hatte. So nannte er zum Beweis die Brust seiner Mutter, Hammeti. Traurig und unzufrieden schlich er nach seiner Entwoͤhnung herum, und klagte Tagelang uͤber den Verlust seiner lieben Hammeti, bis ihn sein guter Appetit an andere Speisen gewoͤhnte. —


Die Schwaͤche der Nerven in den ersten Jahren unserer Kindheit, der Mangel am Nachdenken und Ueberlegen in diesen Jahren, und vornehmlich der einer Sprache, ohne die es uns so schwer wird, abstrakte Begriffe zu sammeln, und endlich die gleichsam noch im Schlummer liegende Gedaͤchtnißkraft unserer Seele, sind wohl die vornehmsten Ursachen, daß wir uns so wenige Dinge aus jener Zeit zu erinnern wissen. Was wir davon noch in unserm Gedaͤchtnisse uͤbrig behalten haben, sind gemeiniglich dunkele Bilder, die bei ihrem Entste-

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[105/0105] dreißig Zaͤhne im Munde, als er noch Muttermilch trank. Dafuͤr war er nun aber auch ein derber fester Junge geworden, der keine einzige von den vielen Schwaͤchlichkeiten kannte, welchen Kinder in den Staͤdten durch eine allzufruͤhe Entwoͤhnung von ihren galanten Muͤttern, noch oͤfter aber durch die verdorbenen Saͤfte verbuhlter Ammen unterworfen sind. Als Schack entwoͤhnt wurde, konnte er schon eine Menge Woͤrter aussprechen, deren einige er sich nach der Gewohnheit vieler Kinder selbst geschaffen hatte. So nannte er zum Beweis die Brust seiner Mutter, Hammeti. Traurig und unzufrieden schlich er nach seiner Entwoͤhnung herum, und klagte Tagelang uͤber den Verlust seiner lieben Hammeti, bis ihn sein guter Appetit an andere Speisen gewoͤhnte. — Die Schwaͤche der Nerven in den ersten Jahren unserer Kindheit, der Mangel am Nachdenken und Ueberlegen in diesen Jahren, und vornehmlich der einer Sprache, ohne die es uns so schwer wird, abstrakte Begriffe zu sammeln, und endlich die gleichsam noch im Schlummer liegende Gedaͤchtnißkraft unserer Seele, sind wohl die vornehmsten Ursachen, daß wir uns so wenige Dinge aus jener Zeit zu erinnern wissen. Was wir davon noch in unserm Gedaͤchtnisse uͤbrig behalten haben, sind gemeiniglich dunkele Bilder, die bei ihrem Entste-

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 2. Berlin, 1786, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0402_1786/105>, abgerufen am 22.11.2024.