Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 2. Berlin, 1786.
Nichts war aber seinem Herzen schmerzlicher, und unausstehlicher, als wenn seine Mutter von ihrem Tode sprach, wovon sie immer einige Vorbedeutungen gehabt haben wollte; oder wenn sie nach ihrer Gewohnheit Lieder vom Tode und ewigen Leben sang. Er lief alsdenn entweder so schnell er
Nichts war aber seinem Herzen schmerzlicher, und unausstehlicher, als wenn seine Mutter von ihrem Tode sprach, wovon sie immer einige Vorbedeutungen gehabt haben wollte; oder wenn sie nach ihrer Gewohnheit Lieder vom Tode und ewigen Leben sang. Er lief alsdenn entweder so schnell er <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0109" n="109"/><lb/> die Strenge seines Vaters in Schutz nahm, unaussprechlich. Noch jetzt denkt er oft mit einem Gefuͤhl der suͤssesten Freude, und einer Wehmuth, die ihm nicht selten heiße Thraͤnen ins Auge gießt, an die gluͤcklichen Stunden seiner Kindheit zuruͤck, wo er des Umganges seiner guten Mutter genoß; wo er neben ihr uͤber die lachenden Wiesen seines Doͤrfchens huͤpfte, das Gaͤrtchen mit Kohl bepflanzen half, und das Gras unter der Sichel der Maͤgde fallen sah, was in ihm eine sonderbare Sensation hervorbrachte. Noch schweben ihm alle die Bilder seiner kindischen Gluͤckseligkeit vor den Augen, wenn er seiner Mutter ein Bouquet von Blumen zur Kirche bringen, mit ihr die Garben des abgemaͤheten Feldes zaͤhlen, den Schnittern Erfrischungen reichen, auf seinem Steckenpferde mit einem Aehrenkranz um den Arm, an dem ein rothes Baͤndchen flatterte, nach Hause reiten, und denn auf ihrem Schoße einschlummern konnte. Solch ein herzliches, inniges, unbeschreiblich suͤsses Gefuͤhl der Gluͤckseligkeit hat er nie wieder in spaͤtern Jahren empfunden, und wirds auch nie wieder empfinden. — </p> <p>Nichts war aber seinem Herzen schmerzlicher, und unausstehlicher, als wenn seine Mutter von ihrem Tode sprach, wovon sie immer einige Vorbedeutungen gehabt haben wollte; oder wenn sie nach ihrer Gewohnheit Lieder vom Tode und ewigen Leben sang. Er lief alsdenn entweder so schnell er<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [109/0109]
die Strenge seines Vaters in Schutz nahm, unaussprechlich. Noch jetzt denkt er oft mit einem Gefuͤhl der suͤssesten Freude, und einer Wehmuth, die ihm nicht selten heiße Thraͤnen ins Auge gießt, an die gluͤcklichen Stunden seiner Kindheit zuruͤck, wo er des Umganges seiner guten Mutter genoß; wo er neben ihr uͤber die lachenden Wiesen seines Doͤrfchens huͤpfte, das Gaͤrtchen mit Kohl bepflanzen half, und das Gras unter der Sichel der Maͤgde fallen sah, was in ihm eine sonderbare Sensation hervorbrachte. Noch schweben ihm alle die Bilder seiner kindischen Gluͤckseligkeit vor den Augen, wenn er seiner Mutter ein Bouquet von Blumen zur Kirche bringen, mit ihr die Garben des abgemaͤheten Feldes zaͤhlen, den Schnittern Erfrischungen reichen, auf seinem Steckenpferde mit einem Aehrenkranz um den Arm, an dem ein rothes Baͤndchen flatterte, nach Hause reiten, und denn auf ihrem Schoße einschlummern konnte. Solch ein herzliches, inniges, unbeschreiblich suͤsses Gefuͤhl der Gluͤckseligkeit hat er nie wieder in spaͤtern Jahren empfunden, und wirds auch nie wieder empfinden. —
Nichts war aber seinem Herzen schmerzlicher, und unausstehlicher, als wenn seine Mutter von ihrem Tode sprach, wovon sie immer einige Vorbedeutungen gehabt haben wollte; oder wenn sie nach ihrer Gewohnheit Lieder vom Tode und ewigen Leben sang. Er lief alsdenn entweder so schnell er
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien
(2015-06-09T11:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat
(2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2015-06-09T11:00:00Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |