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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 2. Berlin, 1786.

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konnte weg, oder hielt sich die Ohren zu, oder fing auch bitterlich zu weinen an, indem er dabei seine Mutter ängstlich umarmte, und ihren Gesang mit seinen Küssen zu unterbrechen suchte. Schack hatte gegen alle diese Lieder eine erstaunliche Antipathie; sonderlich war er gegen eins: Wenn mein Stündlein vorhanden ist etc. aufgebracht; ob er gleich die Lieder mit mehrerem Vergnügen singen hörte, worin von den Qualen der Gottlosen in der Hölle die Rede ist. --

Wurde seine Mutter vollends krank: so hatte er Tag und Nacht keine Ruhe. Oft both er alsdenn, indem ihm die heißen Thränen über seine Wangen liefen, Gott um Verlängerung ihres Lebens; saß stundenlang mit geängsteter Seele, ihre Hand fest in der seinigen, vor dem Bette, und erboßte sich dabei nicht selten gegen seinen Vater, welcher ihm bei den Kränklichkeiten seiner Gattin viel zu kalt und gleichgültig zu seyn schien. Er gerieth aber alsdenn vollends in eine Art Verzweifelung, und litte unaussprechlich, wenn seine Mutter sich die Gesänge bestellte, welche bei ihrer Leiche gesungen werden sollten, welches sie fast bei dem Anfalle jeder Krankheit zu thun pflegte. -- Kurz seine Mutter war ihm Alles; war ihm das höchste Gut der Erde und seine liebste Gesellschaft. Es kränkte ihm tief in der Seele, wenn sie bisweilen unzufrieden mit ihm zu seyn schien, so wie er sich hingegen unendlich glücklich fühlte, wenn sie ihm


konnte weg, oder hielt sich die Ohren zu, oder fing auch bitterlich zu weinen an, indem er dabei seine Mutter aͤngstlich umarmte, und ihren Gesang mit seinen Kuͤssen zu unterbrechen suchte. Schack hatte gegen alle diese Lieder eine erstaunliche Antipathie; sonderlich war er gegen eins: Wenn mein Stuͤndlein vorhanden ist etc. aufgebracht; ob er gleich die Lieder mit mehrerem Vergnuͤgen singen hoͤrte, worin von den Qualen der Gottlosen in der Hoͤlle die Rede ist. —

Wurde seine Mutter vollends krank: so hatte er Tag und Nacht keine Ruhe. Oft both er alsdenn, indem ihm die heißen Thraͤnen uͤber seine Wangen liefen, Gott um Verlaͤngerung ihres Lebens; saß stundenlang mit geaͤngsteter Seele, ihre Hand fest in der seinigen, vor dem Bette, und erboßte sich dabei nicht selten gegen seinen Vater, welcher ihm bei den Kraͤnklichkeiten seiner Gattin viel zu kalt und gleichguͤltig zu seyn schien. Er gerieth aber alsdenn vollends in eine Art Verzweifelung, und litte unaussprechlich, wenn seine Mutter sich die Gesaͤnge bestellte, welche bei ihrer Leiche gesungen werden sollten, welches sie fast bei dem Anfalle jeder Krankheit zu thun pflegte. — Kurz seine Mutter war ihm Alles; war ihm das hoͤchste Gut der Erde und seine liebste Gesellschaft. Es kraͤnkte ihm tief in der Seele, wenn sie bisweilen unzufrieden mit ihm zu seyn schien, so wie er sich hingegen unendlich gluͤcklich fuͤhlte, wenn sie ihm

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[110/0110] konnte weg, oder hielt sich die Ohren zu, oder fing auch bitterlich zu weinen an, indem er dabei seine Mutter aͤngstlich umarmte, und ihren Gesang mit seinen Kuͤssen zu unterbrechen suchte. Schack hatte gegen alle diese Lieder eine erstaunliche Antipathie; sonderlich war er gegen eins: Wenn mein Stuͤndlein vorhanden ist etc. aufgebracht; ob er gleich die Lieder mit mehrerem Vergnuͤgen singen hoͤrte, worin von den Qualen der Gottlosen in der Hoͤlle die Rede ist. — Wurde seine Mutter vollends krank: so hatte er Tag und Nacht keine Ruhe. Oft both er alsdenn, indem ihm die heißen Thraͤnen uͤber seine Wangen liefen, Gott um Verlaͤngerung ihres Lebens; saß stundenlang mit geaͤngsteter Seele, ihre Hand fest in der seinigen, vor dem Bette, und erboßte sich dabei nicht selten gegen seinen Vater, welcher ihm bei den Kraͤnklichkeiten seiner Gattin viel zu kalt und gleichguͤltig zu seyn schien. Er gerieth aber alsdenn vollends in eine Art Verzweifelung, und litte unaussprechlich, wenn seine Mutter sich die Gesaͤnge bestellte, welche bei ihrer Leiche gesungen werden sollten, welches sie fast bei dem Anfalle jeder Krankheit zu thun pflegte. — Kurz seine Mutter war ihm Alles; war ihm das hoͤchste Gut der Erde und seine liebste Gesellschaft. Es kraͤnkte ihm tief in der Seele, wenn sie bisweilen unzufrieden mit ihm zu seyn schien, so wie er sich hingegen unendlich gluͤcklich fuͤhlte, wenn sie ihm

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 2. Berlin, 1786, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0402_1786/110>, abgerufen am 23.11.2024.