Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 2. Berlin, 1786.
Weil ich mich aber nun oft mit diesem Menschen beschäftigte, so mache ich mir das gröste Vergnügen daraus, auch hier mein Scherflein zu der Erfahrungsseelenkunde beizutragen. Den Anfang will ich damit machen, wenn ich erzähle, auf was für eine besondere Art dieser Mensch von dem Daseyn Gottes überzeuget wurde. Schon öfters hatte man sich bemühet, ihm zu zeigen, daß ein Wesen im Himmel sei, welches alles erschaffen und noch die ganze Welt regierte; aber bisher schienen auch hierin alle Bemühungen fruchtlos zu seyn, und ich wage es nicht zu entscheiden, ob die Schuld an dem Stummen oder vielleicht an seinen Lehrern lag. Eine Naturbegebenheit kam endlich seinen Lehrern zu Hülfe, und ein Blitz, der vor seinen Augen in eine seiner Wohnung gegenüber gelegnen Scheune einschlug, überzeugte ihn auf einmal von dem Daseyn eines Gottes, der im Himmel wohne. Kaum hatte er sich von seinem Schrecken etwas erhohlt, als er zu mir eilte, um mir dieses, was er gesehen, zu erzählen, und wie er nun auf einmal glaube, daß ein großer dicker Mann im Himmel sei -- denn so bildete er Gott ab, indem er Backen und Bauch aufbließ und die Hand so hoch hielt, als
Weil ich mich aber nun oft mit diesem Menschen beschaͤftigte, so mache ich mir das groͤste Vergnuͤgen daraus, auch hier mein Scherflein zu der Erfahrungsseelenkunde beizutragen. Den Anfang will ich damit machen, wenn ich erzaͤhle, auf was fuͤr eine besondere Art dieser Mensch von dem Daseyn Gottes uͤberzeuget wurde. Schon oͤfters hatte man sich bemuͤhet, ihm zu zeigen, daß ein Wesen im Himmel sei, welches alles erschaffen und noch die ganze Welt regierte; aber bisher schienen auch hierin alle Bemuͤhungen fruchtlos zu seyn, und ich wage es nicht zu entscheiden, ob die Schuld an dem Stummen oder vielleicht an seinen Lehrern lag. Eine Naturbegebenheit kam endlich seinen Lehrern zu Huͤlfe, und ein Blitz, der vor seinen Augen in eine seiner Wohnung gegenuͤber gelegnen Scheune einschlug, uͤberzeugte ihn auf einmal von dem Daseyn eines Gottes, der im Himmel wohne. Kaum hatte er sich von seinem Schrecken etwas erhohlt, als er zu mir eilte, um mir dieses, was er gesehen, zu erzaͤhlen, und wie er nun auf einmal glaube, daß ein großer dicker Mann im Himmel sei — denn so bildete er Gott ab, indem er Backen und Bauch aufbließ und die Hand so hoch hielt, als <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0043" n="43"/><lb/> sprachen. Sein Verstand blieb also unaufgeklaͤrt, und man fing nur alsdenn erst an, ihm etwas als suͤndlich vorzustellen, wenn er es schon begangen hatte, und um so vielmehr scheint sein Betragen die Aufmerksamkeit des Psychologen zu verdienen. — </p> <p>Weil ich mich aber nun oft mit diesem Menschen beschaͤftigte, so mache ich mir das groͤste Vergnuͤgen daraus, auch hier mein Scherflein zu der Erfahrungsseelenkunde beizutragen. </p> <p>Den Anfang will ich damit machen, wenn ich erzaͤhle, auf was fuͤr eine besondere Art dieser Mensch von dem Daseyn Gottes uͤberzeuget wurde. Schon oͤfters hatte man sich bemuͤhet, ihm zu zeigen, daß ein Wesen im Himmel sei, welches alles erschaffen und noch die ganze Welt regierte; aber bisher schienen auch hierin alle Bemuͤhungen fruchtlos zu seyn, und ich wage es nicht zu entscheiden, ob die Schuld an dem Stummen oder vielleicht an seinen Lehrern lag. Eine Naturbegebenheit kam endlich seinen Lehrern zu Huͤlfe, und ein Blitz, der vor seinen Augen in eine seiner Wohnung gegenuͤber gelegnen Scheune einschlug, uͤberzeugte ihn auf einmal von dem Daseyn eines Gottes, der im Himmel wohne. Kaum hatte er sich von seinem Schrecken etwas erhohlt, als er zu mir eilte, um mir dieses, was er gesehen, zu erzaͤhlen, und wie er nun auf einmal glaube, daß ein großer dicker Mann im Himmel sei — denn so bildete er Gott ab, indem er Backen und Bauch aufbließ und die Hand so hoch hielt, als<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [43/0043]
sprachen. Sein Verstand blieb also unaufgeklaͤrt, und man fing nur alsdenn erst an, ihm etwas als suͤndlich vorzustellen, wenn er es schon begangen hatte, und um so vielmehr scheint sein Betragen die Aufmerksamkeit des Psychologen zu verdienen. —
Weil ich mich aber nun oft mit diesem Menschen beschaͤftigte, so mache ich mir das groͤste Vergnuͤgen daraus, auch hier mein Scherflein zu der Erfahrungsseelenkunde beizutragen.
Den Anfang will ich damit machen, wenn ich erzaͤhle, auf was fuͤr eine besondere Art dieser Mensch von dem Daseyn Gottes uͤberzeuget wurde. Schon oͤfters hatte man sich bemuͤhet, ihm zu zeigen, daß ein Wesen im Himmel sei, welches alles erschaffen und noch die ganze Welt regierte; aber bisher schienen auch hierin alle Bemuͤhungen fruchtlos zu seyn, und ich wage es nicht zu entscheiden, ob die Schuld an dem Stummen oder vielleicht an seinen Lehrern lag. Eine Naturbegebenheit kam endlich seinen Lehrern zu Huͤlfe, und ein Blitz, der vor seinen Augen in eine seiner Wohnung gegenuͤber gelegnen Scheune einschlug, uͤberzeugte ihn auf einmal von dem Daseyn eines Gottes, der im Himmel wohne. Kaum hatte er sich von seinem Schrecken etwas erhohlt, als er zu mir eilte, um mir dieses, was er gesehen, zu erzaͤhlen, und wie er nun auf einmal glaube, daß ein großer dicker Mann im Himmel sei — denn so bildete er Gott ab, indem er Backen und Bauch aufbließ und die Hand so hoch hielt, als
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(2015-06-09T11:00:00Z)
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