Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 2. Berlin, 1786.Und wenn wir über die Ursachen dieser Furcht vor dem Tode etwas nachdenken wollen, so wird man dieselben wohl gleich bei einem flüchtigen Blick darin entdecken können, daß dieser unglückliche Mensch den Tod nur allein von seiner unangenehmen und schrecklichen Seite hatte kennen lernen, und derselbe für ihn also wahrhaftig ein König des Schreckens seyn mußte; er kannte den Tod nur als den Zerstörer seines Leibes und den Mörder seines Lebens -- dieses machte, daß er beim Blick ins ofne Grab, wo er schon seine Gebeine ein Raub der Verwesung werden sah, zurückschauderte, da er diese schreckenvolle Höhle als seine letzte Bestimmung, aus Mangel richtiger Begriffe von demselben, anzusehen hatte, da er diesen Ort nicht als die Werkstätte der Allmacht erkannte, wo sie seinen Leib zu einem andern Leben zubereitete -- und sich sein Geist nicht über die modervollen Grüfte in dieses Leben hinzuschwingen wußte. Wäre er so glücklich, die angenehme Seite desselben zu kennen, daß der Tod nemlich nicht Vernichtung, daß er nur Verwandlung, nur Verschönerung seyn würde -- gewiß so würde er demselben als einen Friedensbothen ansehn, da sein Jnnerstes jetzt ohne diese richtigen Vorstellungen natürlich vor ihm zurückschaudern muß. -- Doch ich fange an zu theologisch zu werden, darum will ich abbrechen. Bei dieser Furcht vor dem Tode war es aber wohl immer etwas sonderbar und auffallend, daß Und wenn wir uͤber die Ursachen dieser Furcht vor dem Tode etwas nachdenken wollen, so wird man dieselben wohl gleich bei einem fluͤchtigen Blick darin entdecken koͤnnen, daß dieser ungluͤckliche Mensch den Tod nur allein von seiner unangenehmen und schrecklichen Seite hatte kennen lernen, und derselbe fuͤr ihn also wahrhaftig ein Koͤnig des Schreckens seyn mußte; er kannte den Tod nur als den Zerstoͤrer seines Leibes und den Moͤrder seines Lebens — dieses machte, daß er beim Blick ins ofne Grab, wo er schon seine Gebeine ein Raub der Verwesung werden sah, zuruͤckschauderte, da er diese schreckenvolle Hoͤhle als seine letzte Bestimmung, aus Mangel richtiger Begriffe von demselben, anzusehen hatte, da er diesen Ort nicht als die Werkstaͤtte der Allmacht erkannte, wo sie seinen Leib zu einem andern Leben zubereitete — und sich sein Geist nicht uͤber die modervollen Gruͤfte in dieses Leben hinzuschwingen wußte. Waͤre er so gluͤcklich, die angenehme Seite desselben zu kennen, daß der Tod nemlich nicht Vernichtung, daß er nur Verwandlung, nur Verschoͤnerung seyn wuͤrde — gewiß so wuͤrde er demselben als einen Friedensbothen ansehn, da sein Jnnerstes jetzt ohne diese richtigen Vorstellungen natuͤrlich vor ihm zuruͤckschaudern muß. — Doch ich fange an zu theologisch zu werden, darum will ich abbrechen. Bei dieser Furcht vor dem Tode war es aber wohl immer etwas sonderbar und auffallend, daß <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0056" n="56"/><lb/> <p>Und wenn wir uͤber die Ursachen dieser Furcht vor dem Tode etwas nachdenken wollen, so wird man dieselben wohl gleich bei einem fluͤchtigen Blick darin entdecken koͤnnen, daß dieser ungluͤckliche Mensch den Tod nur allein von seiner unangenehmen und schrecklichen Seite hatte kennen lernen, und derselbe fuͤr ihn also wahrhaftig ein Koͤnig des Schreckens seyn mußte; er kannte den Tod nur als den Zerstoͤrer seines Leibes und den Moͤrder seines Lebens — dieses machte, daß er beim Blick ins ofne Grab, wo er schon seine Gebeine ein Raub der Verwesung werden sah, zuruͤckschauderte, da er diese schreckenvolle Hoͤhle als seine letzte Bestimmung, aus Mangel richtiger Begriffe von demselben, anzusehen hatte, da er diesen Ort nicht als die Werkstaͤtte der Allmacht erkannte, wo sie seinen Leib zu einem andern Leben zubereitete — und sich sein Geist nicht uͤber die modervollen Gruͤfte in dieses Leben hinzuschwingen wußte. Waͤre er so gluͤcklich, die angenehme Seite desselben zu kennen, daß der Tod nemlich nicht Vernichtung, daß er nur Verwandlung, nur Verschoͤnerung seyn wuͤrde — gewiß so wuͤrde er demselben als einen Friedensbothen ansehn, da sein Jnnerstes jetzt ohne diese richtigen Vorstellungen natuͤrlich vor ihm zuruͤckschaudern muß. — Doch ich fange an zu theologisch zu werden, darum will ich abbrechen. </p> <p>Bei dieser Furcht vor dem Tode war es aber wohl immer etwas sonderbar und auffallend, daß<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [56/0056]
Und wenn wir uͤber die Ursachen dieser Furcht vor dem Tode etwas nachdenken wollen, so wird man dieselben wohl gleich bei einem fluͤchtigen Blick darin entdecken koͤnnen, daß dieser ungluͤckliche Mensch den Tod nur allein von seiner unangenehmen und schrecklichen Seite hatte kennen lernen, und derselbe fuͤr ihn also wahrhaftig ein Koͤnig des Schreckens seyn mußte; er kannte den Tod nur als den Zerstoͤrer seines Leibes und den Moͤrder seines Lebens — dieses machte, daß er beim Blick ins ofne Grab, wo er schon seine Gebeine ein Raub der Verwesung werden sah, zuruͤckschauderte, da er diese schreckenvolle Hoͤhle als seine letzte Bestimmung, aus Mangel richtiger Begriffe von demselben, anzusehen hatte, da er diesen Ort nicht als die Werkstaͤtte der Allmacht erkannte, wo sie seinen Leib zu einem andern Leben zubereitete — und sich sein Geist nicht uͤber die modervollen Gruͤfte in dieses Leben hinzuschwingen wußte. Waͤre er so gluͤcklich, die angenehme Seite desselben zu kennen, daß der Tod nemlich nicht Vernichtung, daß er nur Verwandlung, nur Verschoͤnerung seyn wuͤrde — gewiß so wuͤrde er demselben als einen Friedensbothen ansehn, da sein Jnnerstes jetzt ohne diese richtigen Vorstellungen natuͤrlich vor ihm zuruͤckschaudern muß. — Doch ich fange an zu theologisch zu werden, darum will ich abbrechen.
Bei dieser Furcht vor dem Tode war es aber wohl immer etwas sonderbar und auffallend, daß
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