Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 2. Berlin, 1786.
Nach diesem Eingang eile ich nun, Nachricht von einer noch lebenden Person zu geben, die alles übertrifft, was mir bishero von seltenen Erscheinungen vorgekommen ist, und deren Gewißheit -- ich selbst, wenn ich nicht genau bekannt mit ihr wäre -- bezweifeln würde, wenn die Geschichte erst nach ihrem Tod bekannt gemacht würde. Jn Frankfurth am Main lebt die Frau eines wohlhabenden Handwerkers -- den Nahmen wird der Herausgeber jedem bekannt machen; ihn öffentlich zu drucken, findet man jetzo noch Bedenken, um den Ueberlauf und das Abentheuerliche zu vermeiden -- welche dermahlen an die sechzig Jahre hat; seit ihrem funfzehnten Jahr hat sie von jedem Todesfall, der sich unter ihren Bekannten und Verwandten ereignete, nicht Ahndung, sondern wirkliche Erscheinung. Jn ihrer Kindheit, sagte sie mir: habe sie nie etwas ge-
Nach diesem Eingang eile ich nun, Nachricht von einer noch lebenden Person zu geben, die alles uͤbertrifft, was mir bishero von seltenen Erscheinungen vorgekommen ist, und deren Gewißheit — ich selbst, wenn ich nicht genau bekannt mit ihr waͤre — bezweifeln wuͤrde, wenn die Geschichte erst nach ihrem Tod bekannt gemacht wuͤrde. Jn Frankfurth am Main lebt die Frau eines wohlhabenden Handwerkers — den Nahmen wird der Herausgeber jedem bekannt machen; ihn oͤffentlich zu drucken, findet man jetzo noch Bedenken, um den Ueberlauf und das Abentheuerliche zu vermeiden — welche dermahlen an die sechzig Jahre hat; seit ihrem funfzehnten Jahr hat sie von jedem Todesfall, der sich unter ihren Bekannten und Verwandten ereignete, nicht Ahndung, sondern wirkliche Erscheinung. Jn ihrer Kindheit, sagte sie mir: habe sie nie etwas ge- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0081" n="81"/><lb/> hieher, genug, daß beide den Gordischen Knoten entzweihauen, aber nicht aufloͤsen, und ohne diese Aufloͤsung werden wir niemahlen weder die geringste Erklaͤrung aller dieser Begebenheiten geben koͤnnen, noch einen deutlichen Begriff von dem Wesen und der Wirkung unserer Seele haben; die Metaphysik mag so feine Grundregeln auskluͤglen als sie will, eine jede solche Begebenheit — deren Existenz nun einmahl doch nicht zu leugnen ist — wird die Theorie durch Erfahrung verstimmen. </p> <p>Nach diesem Eingang eile ich nun, Nachricht von einer noch lebenden Person zu geben, die alles uͤbertrifft, was mir bishero von seltenen Erscheinungen vorgekommen ist, und deren Gewißheit — ich selbst, wenn ich nicht genau bekannt mit ihr waͤre — bezweifeln wuͤrde, wenn die Geschichte erst nach ihrem Tod bekannt gemacht wuͤrde. </p> <p>Jn Frankfurth am Main lebt die Frau eines wohlhabenden Handwerkers — den Nahmen wird der Herausgeber jedem bekannt machen; ihn oͤffentlich zu drucken, findet man jetzo noch Bedenken, um den Ueberlauf und das Abentheuerliche zu vermeiden — welche dermahlen an die sechzig Jahre hat; seit ihrem funfzehnten Jahr hat sie von jedem Todesfall, der sich unter ihren Bekannten und Verwandten ereignete, nicht Ahndung, sondern <hi rendition="#b">wirkliche Erscheinung.</hi> Jn ihrer Kindheit, sagte sie mir: habe sie nie etwas ge-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [81/0081]
hieher, genug, daß beide den Gordischen Knoten entzweihauen, aber nicht aufloͤsen, und ohne diese Aufloͤsung werden wir niemahlen weder die geringste Erklaͤrung aller dieser Begebenheiten geben koͤnnen, noch einen deutlichen Begriff von dem Wesen und der Wirkung unserer Seele haben; die Metaphysik mag so feine Grundregeln auskluͤglen als sie will, eine jede solche Begebenheit — deren Existenz nun einmahl doch nicht zu leugnen ist — wird die Theorie durch Erfahrung verstimmen.
Nach diesem Eingang eile ich nun, Nachricht von einer noch lebenden Person zu geben, die alles uͤbertrifft, was mir bishero von seltenen Erscheinungen vorgekommen ist, und deren Gewißheit — ich selbst, wenn ich nicht genau bekannt mit ihr waͤre — bezweifeln wuͤrde, wenn die Geschichte erst nach ihrem Tod bekannt gemacht wuͤrde.
Jn Frankfurth am Main lebt die Frau eines wohlhabenden Handwerkers — den Nahmen wird der Herausgeber jedem bekannt machen; ihn oͤffentlich zu drucken, findet man jetzo noch Bedenken, um den Ueberlauf und das Abentheuerliche zu vermeiden — welche dermahlen an die sechzig Jahre hat; seit ihrem funfzehnten Jahr hat sie von jedem Todesfall, der sich unter ihren Bekannten und Verwandten ereignete, nicht Ahndung, sondern wirkliche Erscheinung. Jn ihrer Kindheit, sagte sie mir: habe sie nie etwas ge-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien
(2015-06-09T11:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat
(2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2015-06-09T11:00:00Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |