Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 3. Berlin, 1786.
Seidel.
Seidel. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0121" n="121"/><lb/> und er wußte dies, durch seine eigne Aengstlichkeit dabei, recht eigentlich erheblich zu machen. Am Ende freut er sich dann uͤber Belehrung und Aufklaͤrung. Ein andermal, da ich vom Nutzen des Regens in Ansehung der Feldfruͤchte redete, meinte er, daß man die Felder ja begießen koͤnnte; und bei jeder Erklaͤrung, wie muͤhsam und fast unmoͤglich dies sei, wußte er fuͤr seine Meinung immer neue Gruͤnde, neue Stuͤtzen zu finden. Man koͤnne ja Spritzen oder Schlaͤuche gebrauchen, und auf die Art oft und schnell begießen, damit die Feuchtigkeit in die Erde eindraͤnge. Als ich von dem Ungluͤck sprach, das ein Wolkenbruch verursachen koͤnnte, hatte er gleich Menschen, Kaͤhne, und große, lange, starke Thaue in Bereitschaft, um die Ungluͤcklichen in Sicherheit zu bringen, oder er ließ sie die Kunst zu schwimmen verstehn, und sich auf die Art retten. Und bis jetzt wenigstens ist dieses weder Zweifelsucht noch Eigensinn bei ihm, sondern Streben, das zu begreifen und zu behalten, was er hoͤrt. Auch faͤllt er nicht auf fremde Gedanken, sondern immer haͤlt er sich an das, wovon die Rede ist. So einen Schuͤler muß man lieben; so einen Schuͤler muß man aber auch, wie ich denke, vor andern herausheben, ihn ohne Nachtheil andrer mehr beschaͤftigen, ihn genauer ins Auge fassen, da er sich selbst so gern, so ganz und unverstellt sehen laͤßt. </p> <p rendition="#right"> <hi rendition="#b"> <persName ref="#ref0088"><note type="editorial">Seidel, Johann Friedrich</note>Seidel.</persName> </hi> </p> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [121/0121]
und er wußte dies, durch seine eigne Aengstlichkeit dabei, recht eigentlich erheblich zu machen. Am Ende freut er sich dann uͤber Belehrung und Aufklaͤrung. Ein andermal, da ich vom Nutzen des Regens in Ansehung der Feldfruͤchte redete, meinte er, daß man die Felder ja begießen koͤnnte; und bei jeder Erklaͤrung, wie muͤhsam und fast unmoͤglich dies sei, wußte er fuͤr seine Meinung immer neue Gruͤnde, neue Stuͤtzen zu finden. Man koͤnne ja Spritzen oder Schlaͤuche gebrauchen, und auf die Art oft und schnell begießen, damit die Feuchtigkeit in die Erde eindraͤnge. Als ich von dem Ungluͤck sprach, das ein Wolkenbruch verursachen koͤnnte, hatte er gleich Menschen, Kaͤhne, und große, lange, starke Thaue in Bereitschaft, um die Ungluͤcklichen in Sicherheit zu bringen, oder er ließ sie die Kunst zu schwimmen verstehn, und sich auf die Art retten. Und bis jetzt wenigstens ist dieses weder Zweifelsucht noch Eigensinn bei ihm, sondern Streben, das zu begreifen und zu behalten, was er hoͤrt. Auch faͤllt er nicht auf fremde Gedanken, sondern immer haͤlt er sich an das, wovon die Rede ist. So einen Schuͤler muß man lieben; so einen Schuͤler muß man aber auch, wie ich denke, vor andern herausheben, ihn ohne Nachtheil andrer mehr beschaͤftigen, ihn genauer ins Auge fassen, da er sich selbst so gern, so ganz und unverstellt sehen laͤßt.
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